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Z’Basel am mym Rhy

Eine besungene Stadt ist eine Stadt, die man liebt. Das sagt uns das Basler Lied «Z’Basel am mym Rhy». Es führt uns durch die Strassen von der Pfalz, dem Münsterschulhaus, der «breiten Bruck» und über den Petersplatz bis in die St. Johanns-Vorstadt. Die Strophen wecken Erinnerungen und erzählen von der Landschaft, in die die Stadt eingebettet ist. In wenigen Strophen fasst «Z’Basel am mym Rhy» zusammen, was bis heute die Identität dieser Stadt bestimmt und sie liebenswert macht.

Hört man dem Lied aufmerksam zu, wird die Bedeutung öffentlicher Orte als Identitätsmerkmale deutlich. Zwei Jahrhunderte, nachdem diese Strophen geschrieben wurden, stellen wir fest, wie sehr die Städte und ihre öffentlichen Räume durch die explosionsartige Zunahme des Individualverkehrs geschwächt und zerstört worden sind. Die individuelle Mobilität, verbunden mit dem Wachstumsboom, hat zur Entstehung periurbaner Räume und zu einem Ungleichgewicht zwischen Wohnen und Arbeiten geführt. Ab den 1970er Jahren etablierte sich das Auto im städtischen Raum und die Zentren entvölkerten sich zugunsten einer zunehmend grassierenden Büronutzung. Fortan bestimmten die Erreichbarkeit der Innenstadt und der Verkehrsfluss die Planung des Stadtraums. Dabei stand nicht mehr die Qualität des Raums, sondern seine Funktionalität im Vordergrund: seine Fähigkeit, wachsende Verkehrsströme aufzunehmen und den Transit zu erleichtern.

Die Folgen dieser Entwicklung wurden in einer anderen Version von «Z’Basel am mym Rhy» aufgenommen. Der Basler Chansonnier Aernschd Born veränderte den ursprünglichen Text, um darin die Luftverschmutzung, den Autostau «uff dr Breite Brugg» und den zur «Gülle» gewordenen Rhein anzuprangern. Ein neues Verständnis setzte sich langsam durch und brachte Einwohnerinnen und Einwohner dazu, sich für den Erhalt ihrer Stadt einzusetzen. Erinnern wir uns an den Appell der Basler Annemarie und Lucius Burckhardt. Sie kritisierten mit Vehemenz das Desinteresse der Planenden am Kulturerbe und forderten bereits damals ein ‹Weiterbauen›.

Ein breiter Bewusstseinswandel fand jedoch erst Ende der 1990er Jahre statt. Die Situation war unbestreitbar: Zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner waren aus der Stadt weggezogen und hatten sie den Alten, Armen und Ausländern überlassen. Die Städte, nicht nur Basel, waren zu sogenannten A-Städten geworden.

Zu diesem Zeitpunkt setzte eine neue Welle der Rückeroberung des urbanen Raums ein. Das Bild der Stadt verändert sich und die Lebensqualität soll gestärkt werden. Die Transformation der Industriebrachen in neue Stadtviertel beginnt. Die mit Parkplätzen überladenen Stadtzentren werden vom Auto befreit und umgestaltet, neue Plätze entstehen und aus Gleisen wachsen Parkanlagen. Auch in den Quartieren werden Strassen schrittweise den Bewohnerinnen und Bewohnern zurückgegeben.

Trotz dieser Errungenschaften bedrohen heute neue ökologische und soziale Probleme abermals die Lebensqualität in den Städten. Diese Herausforderungen verlangen von der Stadtplanung, die begonnenen Regenerations- und Sanierungsprozesse zu beschleunigen und zu intensivieren. Nur so wird es möglich sein, die Lebensqualität in den Städten auch weiterhin zu erhalten.

Um zu verstehen, wie dies funktionieren könnte, kehren wir doch zu den Worten unseres Basler Volksliedes zurück.

Erinnerung an Basel. An Frau Meville, Johann Peter Hebel, 1806

Das Gedicht «Erinnerung an Basel» wurde von Johann Peter Hebel (1760 – 1826) um 1806 in alemannischer Mundart verfasst. Susanne Miville-Kolb gewidmet, beschreibt es die Erinnerung des Wiesentaler Dichters an Basel und ist heute als Basler Volkslied «Z’Basel am mym Rhy» bekannt. Hier abgedruckt ist der Text aus der Erstausgabe J. P. Hebels sämtliche Werke. Zweiter Band. Allemannische und hochdeutsche Gedichte, Karlsruhe 1834, S. 34 – 36.

Aber uf der Pfalz alle Lüte gfallt’s
Eine schöne Stadt ist begehrenswert.

Die Idee von Schönheit und Ästhetik ist untrennbar mit der Geschichte der Städte verbunden. Die Künstler der Renaissance malten die ideale Stadt in ihren Fresken. Die Bewegung zur Verschönerung der Städte im späten 19. Jahrhundert war eine Reaktion auf die Folgen der Industrialisierung und prägte die Stadtentwicklungen dieser Zeitperiode.

Der gegenwärtige Rückeroberungsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Das Bevölkerungswachstum und die Komplexität der Innenentwicklung verschärfen die Lage. In einem immer kleiner werdenden Raum muss ein stetig wachsender Bedarf an Wohnungen und öffentlicher Infrastruktur gedeckt werden. Diese Dynamik belastet das städtische Erbe und macht jedes Grundstück zu einer begehrten Renditequelle.

In diesem Kontext ist eine hochwertige Baukultur1, die möglichst von allen Akteuren der Stadt mitgetragen wird, von entscheidender Bedeutung. Denn eine hohe Baukultur trägt dazu bei, die Transformation der Stadt sensibel und differenziert zu gestalten. Sie basiert auf einer transparenten Gouvernanz sowie auf qualitätsfördernden Prozessen. Dadurch rücken Fragen der Komposition, der Gestalt und des Raumes wieder in den Mittelpunkt der Debatte. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem spezifischen Kontext ermöglicht es, Banalisierung zu vermeiden.

Eine Stadt zu einer lebenswerten Stadt zu entwickeln, bedeutet jedoch nicht nur, sie zu verschönern. Dieser Prozess bedingt auch, sich kontinuierlich um Gleichgewichte zu kümmern. Das stetige Abwägen divergierender Interessen gehört zum urbanen Transformationsprozess, denn nur so kann das Gemeinwohl immer wieder neu erdacht werden.

Und e bravi Frau wohnt dört ussen au
Sich daheim fühlen. Ein weiterer Grund, seine Stadt zu lieben.

Das Zuhause bildet für die Bewohnerinnen und Bewohner den ersten Ankerpunkt. Von hier aus können erste Nachbarschaftsbeziehungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen. Um dieses Gefühl des ‹Sich daheim Fühlens› zu unterstützen, müssen die Wohnungstypologien und die Gestaltung der Quartiere an die unterschiedlichen Lebensweisen angepasst sein. Gebäude und Quartiere können in ihrem jeweiligen Massstab gemeinschaftliche und öffentliche Räume bieten – einen Hof, einen Garten, einen kleinen Platz oder eine Strasse –, die Begegnungen und Aneignung ermöglichen. Die Schule, der Lebensmittelladen, ein Bus und weitere Dienstleistungen bieten alles Notwendige für eine 10-Minuten-Nachbarschaft. Die Nachverdichtung bietet die Chance, die Vielfalt und Intensität des Austausches zu stärken.

Summervögeli jung und froh, ziehn de blaue Blume no
Eine lebenswerte Stadt muss auch den Bedarf an Natur erfüllen können.

Die Stadt hat lange Zeit eine unumstrittene Abhängigkeitsbeziehung mit der sie umgebenden Landschaft gepflegt. Platz für Gärten und Wiesen war in der Stadt vorhanden, und die freie Natur begann unmittelbar vor der Tür. Doch mit der zunehmenden und systematischeren Versiegelung sowie der wachsenden Zersiedelung wurde der städtische Raum zunehmend grauer und die Verbindung zur Natur als Lebensgrundlage ging immer mehr verloren.

Heute verlangt der Klimawandel von uns ein dringendes Handeln. Der Erhalt von unbebautem Boden, das Pflanzen von Bäumen, die Schaffung ökologischer Korridore sowie die Freilegung und Renaturierung von Gewässern im städtischen Gefüge sind allesamt Mittel, um unser Wohlergehen im urbanen Raum zu sichern.

All diese Massnahmen bringen verlorene Qualitäten zurück. Sie erlauben es, den ‹socle du vivant› zu stärken, und verhelfen dazu, das Leben in der Stadt wieder mit der Natur zu verbinden.2

Uf der breite Bruck, für si hi und zruck
Die jüngste Vergangenheit hat uns gelehrt, wie sehr die Lebensqualität in einer Stadt von der Qualität ihrer öffentlichen Räume abhängig ist.

Bis zur Moderne wurden Strassen und Plätze als ‹Stadträume› konzipiert. Sie gehörten der Gemeinschaft und dienten vielfältigen Zwecken. Danach gewann die ‹zweidimensionale› Raumplanung die Oberhand und der Strassenraum ordnete sich einer funktionellen Hierarchisierung unter. Zum Verkehrsraum geworden, zerschnitt er die Stadt in monofunktionale, einfarbig eingefärbte ‹Zonen›, um eine möglichst rasche und hindernisfreie Anbindung an das übergeordnete Autobahnnetz zu schaffen. 

Die heutige Stadtplanung steht vor der grossen Herausforderung, diesen Prozess der Machtübernahme des Autos im öffentlichen Raum umzukehren. Der Strassenraum muss in seinen Nutzungen neu verhandelt werden. Jede Intervention bietet hier die Gelegenheit, neue Qualitäten zu schaffen oder Hindernisse aufzuheben, um Quartiere (wieder) miteinander zu verknüpfen und Gehdistanzen zu verkürzen. Es bedingt einen komplexen Prozess, um den verschiedenen Interessen im öffentlichen Raum gerecht zu werden. Das Silodenken muss durch ein globales und integratives Verständnis ersetzt werden.

Wie ne freie Spatz uffem Petersplatz
Eine Stadt ist ein lebendiger, sich wandelnder Organismus.

Die gesellschaftlichen Werte und die ständige Veränderung unserer Lebensweisen spiegeln sich in der Stadt wider. Unsere Bedürfnisse und Wünsche formen und erneuern die Stadt laufend. 

Ein breiter Dialog ist die Grundlage für eine sorgfältige Gestaltung dieses Transformationsprozesses. Sich daran zu beteiligen hilft, sich als Teil davon zu fühlen. Explorative und innovative Ansätze schaffen neues Wissen und fachliche Kompetenzen. Sie eröffnen unerwartete Wege zum Thema Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Durch Nachverdichtung können überraschende und poetische architektonische und städtebauliche Formen mit einer neuen Ästhetik entstehen. So können unerwartete und wünschenswerte Zukunftsszenarien skizziert werden.

Sich eine positive Zukunft vorzustellen und selbst Akteurin oder Akteur des Wandels zu werden, ist eine Chance, die man ergreifen sollte. Schliesslich entsteht heute die Stadt von morgen, in der wir weiterhin gemeinsam singen möchten: «Jo dört möchti si!»


Autorin: Ariane Widmer Pham
heute selbstständige Architektin und Urbanistin, setzt sich in ihren Tätigkeiten für eine qualitativ hochwertige Stadtentwicklung ein. Ihre Kenntnisse bringt sie in mehreren Stiftungen als Stiftungsrätin und als Vorstandsmitglied in Vereinen ein, die im Bereich Raum und ( Bau- )Kultur wirksam sind. 2022 wurde sie mit dem Preis der Stiftung Brandenberger für ihr berufliches Engagement im Dienste der Raumplanung als kollektiver Akt für eine nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet.

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