Denkmalpflege für eine lebenswerte Stadt
Die Denkmalpflege trägt ihren Teil dazu bei, die Stadt Basel attraktiv und lebenswert zu erhalten. Basel hat eine Geschichte, die in Büchern beschrieben und in Museen präsentiert wird, die aber auch jede Bewohnerin und jeder Bewohner selbst erfahren kann. Erleben knüpft sich an Orte und Räume: Mit offenen Augen können Spuren von Vergangenem gesehen werden und Erinnerungen an Gehörtes und selbst Erfahrenes wachgerufen werden.

In diesem vielschichtigen Muster von Altem, Nicht-so-Altem und Neuem kann man sich verorten, die eigene Position finden und aktiv an der Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft mitwirken. John Ruskin formulierte um 1849, dass die originale Bausubstanz besser als jede schriftliche oder mündliche Überlieferung eine ‹Beredsamkeit› (voicefulness) ausstrahle, die von vergangener Arbeit der Vorfahren und von einstigen Geschehnissen zeuge, die sich an den Bauwerken und um sie herum ereignet haben. Bauten sind jedoch nicht nur Orte, in denen oder an denen etwas Bemerkenswertes geschehen ist, sondern sie sind selbst Ergebnisse eines Prozesses. In ihrer materiellen Substanz sind Baugewohnheiten und Erfahrungen konserviert. An ihnen lässt sich die jeweilige Verfügbarkeit von Steinen, Holz und anderen Materialien ablesen. Nutzungsspuren und Vernetzungen mit der technischen Infrastruktur lassen einstige Lebensbedingungen erkennen, Dekorationsformen verweisen auf vergangene Vorstellungen und Wünsche.
In einer historischen Stadt gibt es praktisch keine homogene Bebauung. Mit einem Blick werden stets Häuser und Anlagen aus verschiedenen Zeiten erfasst, die ihrerseits Spuren von andauernden Veränderungen aufweisen. Daraus ergibt sich von selbst eine Mannigfaltigkeit, die auf den ersten Blick zufällig erscheint. Weil sie aber einzigartig ist, formt sie ein individuelles und wiedererkennbares Muster der Stadt. Beim zweiten Blick stellt sich heraus, dass die historische Gestalt der Stadt keineswegs willkürlich und zusammenhanglos ist.
DIE ATMOSPHÄRE EINER STADT WIRD AUCH DURCH UNSCHEINBARE ELEMENTE BESTIMMT.
Am Marktplatz zum Beispiel wird die östliche Längsseite vom Rathaus mit seinem Turm und der roten Farbe dominiert. In sich ist es ein Komplex aus mehreren Bauzeiten: Während der Ursprungsbau von 1514 mit den drei offenen Arkaden am Anfang des 17. Jahrhunderts in fast identischer Formensprache erweitert wurde, sprengen die um 1900 errichteten Anbauten des Turms und der Neuen Kanzlei die Dimensionen, um dem Gebäude am damals vergrösserten Marktplatz eine stärkere Präsenz zu verleihen. Das Geschäftshaus zum Gold, 1952 nach Plänen von Hans Von der Mühll und Paul Oberrauch anstelle zweier schmaler Häuser errichtet, setzt sich mit der umgebenden Architektur auseinander. Vom Mittelbau des Rathauses wurde die Traufhöhe übernommen und die durchbrochene Attika entstand in Analogie zum Zinnenkranz des Rathauses. Mit dem hellgrauen Hartsandstein bildet das Haus zum Gold zusammen mit dem Gebäude der 1858 errichteten «Bank in Basel» (Marktplatz 11) eine farbliche Klammer um das Rathaus. Die von Heinrich Barz im Büro Suter & Suter entworfene gelbliche Fassade der Globus-Erweiterung von 1976 nimmt den geraden Fassadenabschluss und die Höhe vom Haus zum Gold auf und flankiert mit diesem zusammen den Einschnitt des Martinsgässleins. Die schmalen hochrechteckigen Fenster gleichen sich sowohl dem Fensterraster des Globus-Hauptgebäudes als auch dem des Rathauses an.
Schon lange ist erkannt, dass nicht nur die grossen, auffallenden und von namhaften Architekten errichteten Gebäude Denkmalwert haben. Die Atmosphäre einer Stadt wird oft auch durch unscheinbare Elemente bestimmt, die für sich genommen nicht wertvoll erscheinen, aber insgesamt zum Charakter eines Ortes beitragen oder diesen erst formen. Diese Wirkung, die entsteht, wenn sich Einzelteile aus verschiedenen Zeiten zu einem neuen Ganzen zusammenfügen, beruht auf der historischen Substanz der Bauten und Anlagen, die unersetzlich ist. Diese zu schützen und zu neuen, denkmalverträglichen Nutzungen beizutragen, ist Kernaufgabe der Denkmalpflege.
Autor: Martin Möhle, Kantonale Denkmalpflege, Städtebau & Architektur
Städtebau & Architektur
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