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Generationen in Bewegung

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Wenn Kindergartenkinder und Bewohnerinnen im Gustav Benz Haus zusammen turnen, entsteht weit mehr als nur Bewegungstraining. Die Stunde verbindet Generationen, fördert Motorik und bringt Freude in den Alltag.

Kinder und Senioren bewegen sich zusammen in einem Raum.
Ob sitzend oder stehend: Mitschwimmen ist für alle möglich!

Vorfreudig sitzen an diesem Nachmittag neun Bewohnerinnen und Bewohner des Pflege- und Wohnheims Gustav Benz Haus in einem Zimmer im Erdgeschoss des Hauses und warten auf neun Kindergartenkinder für die gemeinsame Turnstunde. Als die ersten Kinder eintreten, erfasst eine fröhliche Stimmung den Raum. Immer abwechselnd sitzt ein Kind neben einer Bewohnerin. Alle tragen Namensschilder. Jede Stunde beginnt mit einer ritualisierten Begrüssungsrunde. Zu jeder Silbe gehört ein Bewegungselement aus Klatschen oder Klopfen der Hände auf eigene Köperglieder. Das kognitive und körperliche Training beginnt mit der ersten Minute der gemeinsamen Turnstunde. Kurz darauf sind die Bewegungsabläufe schon komplexer. Petra Stadelmann von Pro Senectute lässt alle Teilnehmenden mit Armen und Beinen im Sitzen rudern respektive schwimmen und trainiert dabei deren Arm-, Bein- und Rumpfmuskulatur.

Austausch im Zentrum
«Ich passe mein Programm jeweils den Jahreszeiten an. Alle haben diesen Sommer etwas mit Wasser erlebt. Da knüpfen die Seniorinnen und Senioren genauso an wie die kleinen Kinder.» So schwimmen alle mit bei Petra Stadelmanns Frage, ob sie die Sommerferien am Wasser verbracht haben. Oft bringt die Leiterin der gemeinsamen Turnstunde auch Bilder mit und dazu die entsprechende Musik. So wurde auch schon der Eiffelturm als vereinfachte Jumping Jacks stehend nachgeturnt. Auf das Schwimmen folgen Wellenbewegungen, die mit Chiffontüchern mal flacher oder wilder toben. «Gerade mit Tüchern aber auch mit Bällen steht der Austausch der Kinder und Bewohnenden im Zentrum. Daher eignen sich diese Hilfsmittel speziell gut für Partnerübungen», weiss Petra Stadelmann.

Turnen als Teilhabe
Je offener ein Senior oder eine Seniorin auf die Kinder zugeht und eine aktive Rolle in der Kommunikation übernimmt, desto besser funktionieren die gemeinsamen Übungen. Grundsätzlich dürfen alle Bewohnerinnen oder Bewohner am Turnen mit dem Kindergarten teilnehmen. Auch im Rollstuhl ist die Teilnahme möglich. Zentral ist die Konstanz der Gruppe, sodass ein Beziehungsaufbau möglich ist. «Für viele der teilnehmenden Bewohnerinnen ist diese Stunde der Höhepunkt der Woche, auch weil sie sich so auf die Kinder freuen», weiss Hanna Töngi vom Gustav Benz Haus. Diese Stunde erfüllt aus Sicht der erfahrenen Aktivierungstherapeutin viele Grundpfeiler, die für das Wohlbefinden der Bewohnenden zentral sind: Die Teilnehmenden dürfen sich durch Bewegung und Rhythmus wieder spüren, erfahren kulturelle und soziale Teilhabe, und fühlen sich dadurch eingebunden und wahrgenommen. So ist das Turnen mit Kindern neben Stricken, Backen oder Singen nicht mehr wegzudenken aus dem Aktivierungsplan im Gustav Benz Haus.

Begegnung der Generationen
Dominique Spampinato, Lehrerin im Kindergarten Claragraben 96, erkennt Parallelen in der intergenerativen Arbeit: «In der gemischten Altersgruppe gibt es vieles, das die Kindergartenkinder noch nicht und die Seniorinnen nicht mehr können. In diesem Sinne empfinde ich diese Zusammenführung als ideal.» Auch der Ablauf ist auf beide Altersstufen ausgerichtet, indem oft mit Wiederholung gearbeitet wird. Nach der Begrüssung und dem ersten Bewegungsteil folgen eine Pause und ein zweiter, etwas kürzerer Bewegungsteil, in dem vieles aus dem ersten Teil wiederholt wird. «Und dann sehen wir einfach jede Woche die strahlenden Gesichter und wissen, dass diese Begegnung zwischen den Generationen wichtig ist», berichtet die Kindergartenlehrerin aus Erfahrung. Viele der Kinder in ihrem Kindergarten mit fremden kulturellen Hintergründen hätten keine Grosseltern in der Schweiz. Somit ist der Kontakt in der Turnstunde deren einziger Austausch mit der älteren Generation.

Generalprobe zur Fasnacht
Durch die Nähe im Quartier von Kindergarten und Altersheim begegnen sich die Teilnehmenden auch ausserhalb der Turnstunde. Oft führt der Weg einer Seniorin zum Arzt an der Claramatte vorbei. Die Kinder in der Pause winken ihren Turnkollegen zu und bleiben auch mal auf einen Schwatz stehen. Der Austausch zwischen dem Gustav Benz Haus und dem Kindergarten Claragraben 96 ist aus diesem Erfolgserlebnis heraus weiter ausgebaut worden. Sind im Kindergarten Kostüme für die Fasnacht gebastelt, Theater für die Eltern einstudiert oder Lieder zum Herbst geübt worden, findet jeweils eine Generalprobe im Altersheim statt. Auch der Osterhase hat schon Nester für die Kindergartenkinder im Garten des Altersheims versteckt, wobei die Bewohnenden den Kindern beim Suchen helfen oder zusehen konnten. Diese unregelmässigen Besuche können alle Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheims miterleben, da sie in den Gemeinschaftsräumen stattfinden. 

Kind hält Tuch vor älterem Mann in Gemeinschaftsraum.
Partnerübungen mit Tüchern fördern die Beziehungsarbeit.

Turnen mit Hopp-La Fit
Was aber bleibt den Kindern von dieser Turnstunde im Altersheim? Dominique Spampinato nennt viele Kompetenzen, die gefördert werden, darunter: das Erlernen der Abläufe, das Zuhören und auch das Sprechen mit älteren Menschen. Auch auf dem Weg durchs Quartier zum Gustav Benz Haus lernen die Kinder vieles: «Wir überqueren einen Fussgängerstreifen und üben damit die Verkehrstauglichkeit, kommen an Kleingewerbe vorbei, passieren eine Kita und lernen auch Garageneinfahrten als mögliche Gefahrenquellen kennen. Am Ziel wird genau geschaut, ob das rote Velo von Petra Stadelmann schon vor dem Eingang des Altersheims steht. Wenn wir vor ihr ankommen, ist ein sportliches Ziel bereits erreicht.» Zum intergenerativen Turnen kam Dominique Spampinato als Teilnehmerin einer Studie zur Masterarbeit von Alice Minghetti an der Universität Basel zu Hopp-La Fit, einem Bewegungsprogramm, das auf den Austausch der Generationen fokussiert. Dabei wurden teilnehmende Kindergartenkinder untersucht und mit Spezialgeräten Messungen zu Sprungkraft und Muskelmasse durchgeführt. Ein messbarer physischer Erfolg des Bewegungsinputs konnte damit nachgewiesen werden. Mit Ausnahme eines kurzen Unterbruchs während der Corona-Pandemie turnt Dominique Spampinato seit 2018 mit ihren Kindergartenkindern im Altersheim und verrät: «Die Kinder erzählen auch von Muskelkater. Das ist komplex, anstrengend und anspruchsvoll. Für die Kinder und Bewohnenden ist das eine Stunde Zuhören und das Befolgen von Anweisungen, Mitturnen und Geschicklichkeit», resümiert Dominique Spampinato. Die gemeinsame Turnstunde fördert nicht nur Grobmotorik und kognitive Fähigkeiten, sondern auch Beziehung und Austausch über Generationen hinweg. Am Ende bleiben strahlende Augen zurück: ein Ausdruck echter Freude, die verbindet.

Text: Maren Stotz, Fotos: Grischa Schwank