Publikation

Jahresbericht 2021

Staatsarchiv Basel-Stadt

Stillstand und Bewegung zugleich dokumentieren: Wir im Staatsarchiv bezeichnen das nicht als Unmöglichkeit, sondern als ein produktives Spannungsfeld. Dennoch verlangen die Beschleunigung der technologischen Entwicklung, die Dynamik politischer Rahmenbedingen und der Wandel gesellschaftlicher Erwartungen eine aufmerksame Beobachtung und Planung. Diesem Zweck dient die Strategie des Archivs 2022–2025, die laufend weiterentwickelt und angepasst wird. Sie erscheint zeitgleich mit diesem Jahresbericht. 

Was in der Frühzeit der Fotografie festgehalten werden wollte, musste von Natur aus ruhig sein oder zum Stillstand gebracht werden. Scharf abgebildet werden konnte nur, was sich nicht bewegte. Mit der Entwicklung der Kameratechnik änderte sich das. Kürzere Verschlusszeiten, lichtstärkere Objektive, lichtempfindlichere Filme, leichtere und handlichere Apparate eröffneten im 20. Jahrhundert neue Perspektiven. Und zwar buchstäblich: Lothar Jeck (1898–1983), der diese spektakuläre Trapeznummer im Zirkus Knie um 1940 fotografierte, befand sich mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht auf dem sicheren Boden der Manege, sondern irgendwo in schwindelerregender Höhe. Jeck war auch ein leidenschaftlicher Sportfotograf. Er verstand es, die Logik der Bewegung selbst zu analysieren, ihren Verlauf mit der Kamera vorauszuahnen und im richtigen Moment abzudrücken. Dazu kam sein unglaublich sicheres Wissen über die Bildkomposition und sein geschultes Auge: Trapez und Figur sind genau in der Mitte dieser Aufnahme platziert, ohne sichtbare Verankerung. Die Körpermitte und die Beine der Akrobatin korrespondieren exakt mit den Strukturelementen des Zirkuszelts. Dem Fotografen Lothar Jeck gelang das Unmögliche: Im unbewegten Bild einen dynamischen Moment festzuhalten. Genau aus diesem einfachen Grund steht dieses Bild hier im Editorial, sozusagen als Symbol für die Aufgabe des Archivs. Einerseits soll das Archiv Dokumente festhalten, auf unbegrenzte Dauer hin vor Veränderung sichern. Andererseits soll es nebst dem Inhalt eines Dokuments auch dessen Entstehungskontext sichtbar machen: Warum etwas entstand, wer handelte – damit die Dynamik staatlicher und gesellschaftlicher Prozesse auch in Zukunft nachvollziehbar ist.

Jahr
2022
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