Wiedergutmachung für eine im Jahre 1939 erfolgte Ausschaffung nach Nazi-Deutschland
MedienmitteilungRegierungsrat
Der Regierungsrat hat sich mit dem Gesuch eines israelischen Staatsbürgers um Wiedergutmachung befasst. Dieser war im Oktober 1939 von der Basler Polizei nach Nazi-Deutschland ausgeschafft worden. Der Regierungsrat entschuldigt sich beim Betroffenen für das Geschehene und richtet ihm im Sinne einer Wiedergutmachung für die erlittene schwere körperliche und seelische Unbill einen Betrag von 50'000 Franken aus.
1938 ist ein damals 21-jähriger Wiener mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereist, um von hier aus seine Emigration nach Palästina vorzubereiten. Vorher musste er bei den deutschen Behörden unterschreiben, nie mehr deutschen Boden zu betreten. Sein Aufenthalt in der Schweiz wurde von den Kantonen Zürich, Genf und Waadt sowie der eidgenössischen Fremdenpolizei jeweils provisorisch geregelt, bevor am 20. Juli 1939 die Bundesbehörden die Ausweisung verfügten. Aufgrund eines Rekurses ist die Ausweisung aufgeschoben worden und blieb während längerer Zeit in der Schwebe.
Am 25. Oktober 1939 hat die Basler Polizei den Mann in einem Basler Hotel festgenommen und wenig später in Lörrach der deutschen Polizei übergeben. Allein aufgrund seiner jüdischen Abstammung wurde er von den deutschen Behörden in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. Glücklicherweise überlebte er den Holocaust und gelangte dank eines Visums, das ihm seine Eltern verschaffen konnten, 1944 nach Palästina.
Aufgrund der heutigen Aktenlage lassen sich nicht mehr alle Fakten belegen. Die Rekonstruktion der Geschehnisse vom 25. Oktober 1939 hat ergeben, dass die Basler Polizei die Ausschaffung vollzogen hat, obwohl von der eidgenössischen Fremdenpolizei eine Zusicherung vorgelegen haben soll, wonach die Aufenthaltsverhältnisse nochmals überprüft würden. Es stand eine Ausreise in das damals noch unbesetzte Frankreich zur Diskussion. Trotz Protesten und Hinweisen auf diese Tatsache ist die Ausschaffung erfolgt. Auch war damals bereits bekannt, dass Juden, die zur Ausreise aus Deutschland gezwungen worden waren, deutschen Boden unter Strafandrohung nicht mehr betreten durften.
Der Regierungsrat ist der Überzeugung, dass es sich bei dieser folgenschweren Ausschaffung um einen einmaligen Akt von Basler Behörden handelt. Der Basler Historiker Jean-Claude Wacker hat in einer Arbeit "Humaner als Bern!" - über die Schweizer und Basler Asylpraxis von 1933-1943 gegenüber jüdischen Flüchtlingen - nachgewiesen, dass insbesondere der damalige Vorsteher des Polizeidepartementes, Regierungsrat Fritz Brechbühl, den im Rahmen der eidgenössischen Vorschriften und Weisungen bestehenden Ermessensspielraum zu Gunsten der Flüchtlinge ausgenützt und damit in schwerer, ungewisser Zeit menschlich rücksichtsvoll gehandelt hat. Auf diese Praxis der damaligen Basler Behörden im Umgang mit Bedrängten und Hoffnunglosen darf Basel und seine Bevölkerung auch heute noch stolz sein.
Um so mehr ist es angezeigt, dort wo offensichtlich Fehler gemacht worden sind, diese offen zu legen und nach Möglichkeit wieder gut zu machen. Der Regierungsrat bedauert zutiefst die schwere körperliche und seelische Unbill, die der Betroffene erlitten hat, und entschuldigt sich dafür.