Neue Erdbebenstudie für den Kanton Basel-Stadt
MedienmitteilungRegierungsrat
Geologen der Universität Basel haben im Auftrag des Regierungsrates eine Erdbebenstudie für den Kanton Basel-Stadt durchgeführt. Als Resultat dieser Studie liegt nun eine sogenannte Mikrozonierungskarte für das gesamte Kantonsgebiet vor. Daraus wird ersichtlich wo bei einem Erdbeben welche Erschütterungen des Untergrundes zu erwarten sind.
Bei der Analyse von Erdbebenkatastrophen, wie sie von den eindrücklichen Bildern aus Kobe (Japan) noch in Erinnerung sind, wird deutlich, dass das Schadensausmass in einer betroffenen Region nicht überall gleich gross ist. Während gewisse Stadtteile oder Gebäude intakt bleiben, werden andere schwer beschädigt oder stürzen manchmal gar zusammen. Dies liegt nur teilweise an der unterschiedlichen Bauweise. Ebenso wichtig ist nämlich die Erkenntnis, dass Erdbebenwellen je nach geologischem Untergrund in gewissen Gebieten gedämpft, in anderen verstärkt werden. Deshalb interessieren im Hinblick auf eine Minimierung von Schäden an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen durch Erdbeben neben der regionalen Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Erdbebens zwei weitere Faktoren:
- der dämpfende oder verstärkende Einfluss der Geologie des Untergrundes (Erschütterungsfähigkeit)
- die Übertragung der Wellen auf das Bauwerk in Abhängigkeit der Bauweise, des baulichen Zustandes und der konstruktiven Aspekte eines Bauwerkes.
Wieso eine Erdbebenstudie für Basel?
In der Region Basel wurde im Jahre 1993 im Rahmen der Übung "Regio-Kat 93" die Bewältigung einer Erdbebenkatastrophe im Raum Basel geübt. Bei der Auswertung dieser Übung erkannten die zuständigen Stellen, dass bei einem Erdbeben neben der Bauweise eines Gebäudes auch dessen Standort eine Rolle spielt: In Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Untergrundes werden Gebäude und Infrastruktureinrichtungen bei einem Erdbeben stärker oder schwächer in Mitleidenschaft gezogen. Zum damaligen Zeitpunkt fehlten jedoch die Grundlagen für eine verlässliche Beurteilung des Untergrundes im Kanton Basel-Stadt.
Zur Abklärung des Einflusses des geologischen Untergrundes hat das Polizei- und Militärdepartement deshalb im Jahre 1994 die Abteilung Praktische Geologie des Geologisch-Paläontologischen Institutes der Uni Basel (GPI) beauftragt, eine Erdbebenmikrozonierungskarte für den Kanton Basel-Stadt zu erstellen.
Im Unterschied zu anderen Studien, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Erdbebens mit einer gewissen Stärke untersuchen, beschreibt die Erdbebenmikrozonierungskarte die lokalen Differenzen des Aufschaukelungspotentials seismischer Wellen in Abhängigkeit der geologischen Verhältnisse (Erschütterungsfähigkeit). Generell führt ein weicher Untergrund zu einer erhöhten Aufschaukelung, ein harter, felsiger Untergrund eher zu einer Abschwächung der Bodenerschütterung.
Der Auftrag wurde unter der Leitung des früheren Kantonsgeologen, Prof. Lukas Hauber unter Mitarbeit von Dr. Th. Noack und P. Kruspan gemeinsam mit dem Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich, Dr. D. Mayer Rosa, Dr. D. Fäh und Dr. E. Rüttener, durchgeführt. Die Erarbeitung der Methodik einer Erdbebenmikrozonierung für Basel-Stadt war ein Teilprojekt "Erdbebengefährdung und Mikrozonierung in der Schweiz. Beitrag zur Erforschung des Erdbebenrisikos in Abhängigkeit des geologischen Untergrundes" im Nationalen Forschungsprojekt (NFP) Nr. 31 zum Thema "Klimaänderungen und Naturkatastrophen in der Schweiz".
Umfassende Datenbank des GPI über den Basler Untergrund
Die Arbeitsgruppe konnte für dieses Projekt auf die umfangreiche geologische Datenbank des GPI zurückgreifen. Darin sind geologische Berichte und die Ergebnisse von Sondierbohrungen über einen Zeitabschnitt von beinahe 100 Jahren systematisch archiviert. Dank dieser mittlerweile über 2'700 Bohrungen umfassenden Datenbank verfügt das GPI über eine - auch im Vergleich mit anderen Städten - einzigartige Dichte an geologischer Information über den Basler Untergrund. Moderne Informatikeinrichtungen erlauben es, die geologische Information zugeschnitten auf die jeweiligen Fragestellungen für die Region nutzbar zu machen.
Konkret mussten für die Studie aus den detaillierten Beschreibungen der Schichten und aufgrund von Resultaten von geotechnischen Messungen, die im Rahmen von Baugrundabklärungen durchgeführt wurden, jene physikalischen Kenngrössen der einzelnen Gesteinseinheiten abgeleitet werden, welche die Aufschaukelung oder Dämpfung der Erdbebenwellen bestimmen. So ist zum Beispiel die Ausbreitungsgeschwindigkeit seismischer Wellen in Sand geringer, als in dicht gelagertem Kies. Ferner ist es für die unterschiedliche Aufschaukelung wichtig, ob es sich beim Sand um eine dünne Sandlinse handelt, oder um eine mehrere Meter dicke Schicht, die sich über einen grösseren Bereich erstreckt.
Mit Hilfe von Modellrechnungen der Aufschaukelung, bei der verschiedene Parameter variiert wurden, liess sich abschätzen, wie stark sich diese Faktoren auf die Aufschaukelung auswirken. Ausserdem wurden an rund 20 Standorten Messungen der natürlichen Bodenunruhe vorgenommen, um die örtlich dominierende Frequenz und die damit zusammenhängenden Schichtdicken zu bestimmen.
Die Erdbebenmikrozonierungskarte für Basel-Stadt
Als Resultat der Zusammenarbeit zwischen GPI und SED liegt nun eine Erdbebenmikrozonierungskarte vor, die einen differenzierten Überblick über die räumliche Verteilung der zu erwartenden Aufschaukelungseffekte liefert. Sie beschreibt die potentielle Erschütterungsfähigkeit an jedem Ort im Vergleich zu einem regionalen Mittelwert in einer Punkteskala von 1 bis 20, vergleichbar mit seismischen Intensitätsdifferenzen. Im Gegensatz zur Magnitude in der Richterskala, welche ein Mass für die freigesetzte Energie ist, ist die seismische Intensität ein Mass für die beobachteten Gebäudeschäden, die Verwüstung an der Erdoberfläche und dafür, wie stark die Menschen das Beben empfinden. Die Intensitätsskala hat 12 Stufen von I (nicht gespürt) bis XII (allgemeine grossräumige Zerstörung).
Für den Kanton Basel-Stadt liegen die Unterschiede der Extremwerte bei ungefähr zwei Intensitätsstufen. Das heisst, wenn in einem Gebiet mit stark erhöhter Erschütterungsfähigkeit mässige Schäden an Gebäuden auftreten und Kamine herunterfallen (Intensität VII), bröckelt bei gleich gebauten Gebäuden im Bereich stark erniedrigter Erschütterungsfähigkeit nur der Verputz ab oder es wackeln die Bilder an den Wänden (Intensität V).
Weitere geplante Untersuchungen
Für die Umsetzung der Zonierungskarte auf Einzelobjekte wie zum Beispiel wichtige Infrastrukturbauten ist die Beurteilung der Wechselwirkung zwischen Gebäude und Untergrund wesentlich. Dabei spielt der bauliche Zustand eines Gebäudes (Alter, Material, Konstruktion) eine dominierende Rolle. Für bestimmte Gebäudetypen soll deshalb abgeklärt werden, wie sich die einzelnen Bewertungsparameter der Mikrozonierung auswirken.
Bekanntlich reagieren im Untergrund verlaufende Leitungen anders, als zum Beispiel ein 10-stöckiges Gebäude. Wie sich aber die Gebäudehöhe und die Baustruktur verhalten, ist weit weniger transparent. Davon hängt aber in entscheidendem Masse die Schadenshöhe ab.
Die beim nächsten Beben zu erwartenden regionalen und lokalen Unterschiede der Aufschaukelung - ausgedrückt in Intensitätseinheiten, wie in der vorliegenden Studie - sind allerdings eine unzureichende Grösse für die Untersuchung des Verhaltens von Gebäuden bei Erdbeben. Für den Bauingenieur, der das Verhalten eines spezifischen Gebäudes im Erdbebenfall berechnet, sind andere Grössen wünschenswert, wie die maximal zu erwartende Bodenbeschleunigung und die dominierende Frequenz der Erschütterung. Aus diesem Grund sind in Zukunft weitere Forschungsarbeiten am GPI geplant, die für Basel-Stadt unter anderem Messungen von seismischen Eigenschaften der verschiedenen Gesteine sowie Modellrechnungen des Einflusses der lokalen Geologie auf die physikalische Bodenbewegung während eines Erdbebens beinhalten. Als vorteilhaft hat sich dabei die Tatsache ergeben, dass diese Untersuchungen eng mit einem Projekt des SED, "Erdbebenszenarien für die Schweiz", verknüpft werden können, das von der ETH Zürich finanziert wird. Darin werden die theoretischen Grundlagen sowohl auf seismologischem als auch ingenieurmässigem Gebiet erarbeitet. Forschung und Anwendung werden damit zum Nutzen einer Region ideal miteinander verbunden.