Deutsch für Dreijährige: Basel-Stadt geht voran
MedienmitteilungRegierungsrat
Sprachdefizite bei der Einschulung können häufig bis zum Ende der Schulzeit nicht mehr aufgeholt werden. Als erster Kanton möchte Basel-Stadt deshalb Kinder mit ungenügenden Sprachkompetenzen schon ein Jahr vor Beginn des Kindergartens systematisch erfassen und ihnen während zwei Halbtagen pro Woche den Besuch einer Spielgruppe eines Tagesheimes oder einer Tagesfamilie ermöglichen. Falls nötig sollen Eltern via ein selektives Obligatorium zur Nutzung dieses Angebotes verpflichtet werden. Bestärkt durch die Vernehmlassung schlägt die Regierung zudem neu vor einkommensschwache Familien in den Genuss günstigerer Tarife kommen zu lassen.
Die Erfahrung zeigt, dass viele Kinder mit äusserst mangelhaften Deutschkenntnissen in die Kindergärten eintreten und Massnahmen zur Verbesserung der Bildungschancen dieser Kinder bereits im Vorschulbereich ansetzen müssen. Im Juli 2008 hat der Regierungsrat Basel-Stadt deshalb das Erziehungsdepartement beauftragt, das von ihm erarbeitete Pionierprojekt «Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten» in eine Vernehmlassung zu schicken. Aufgrund der grossen Zustimmung zur Absicht, mit der Behebung sprachlicher Defizite bereits bei Dreijährigen anzusetzen, geht der Ratschlag, den die Regierung zu Handen des Grossen Rates verabschiedet hat, nun sogar einen Schritt weiter als ursprünglich vorgesehen.
Erklärtes Ziel der Regierung ist es, möglichst viele Kinder von einer frühen Förderung ihrer Deutschkenntnisse profitieren zu lassen. Zu diesem Zweck sollen alle Jungen und Mädchen die Möglichkeit erhalten, eine Spielgruppe, ein Tagesheim oder eine Tagesfamilie zu besuchen, die an zwei Halbtagen pro Woche die spielerische Sprachförderung übernehmen werden. Einerseits soll dies durch eine noch bessere Bekanntmachung der Angebote erreicht werden; andererseits will sich der Kanton bei einkommensschwachen Familien an den Kosten für eine Spielgruppe beteiligen. Für die bis 2012 laufende Projektphase sind im Ratschlag 2,4 Millionen Franken veranschlagt. Die wiederkehrenden Kosten betragen CHF 1.9 Mio., davon kommen CHF 0.47 Mio. einkommensschwachen Familien zu Gute: Der Kanton wird analog zur Finanzierung der Mittagstische einen Teil der Beiträge an Eltern übernehmen.
Um jene Kinder bestimmen zu können, die gefördert werden sollen, wird das Aufnahmeverfahren für den Kindergarten in Basel um ein Jahr vorverlegt. Neu werden bei dieser Gelegenheit auch flächendeckend die Deutschkenntnisse der Kinder via Elternabende und Fragebogen erhoben. Die Regierung geht im Ratschlag davon aus, dass voraussichtlich etwa ein Drittel aller Kinder über ungenügende Deutschkenntnisse verfügt. Erfahrungen im In- und Ausland zeigen leider, dass häufig gerade jene bildungsfernen und fremdsprachigen Familien, deren Kinder die grössten Entwicklungsrückstände haben, am wenigsten Einsicht in die Notwendigkeit einer frühen sprachlichen Förderung haben. Aus diesem Grund braucht es ein selektives Obligatorium, das der Kanton Basel-Stadt als erster Kanton gesetzlich verankern möchte, um im Notfall einen sanften Druck auf solche Eltern ausüben zu können.
Die Ergebnisse der Vernehmlassung haben die Richtigkeit dieses Ansatzes bestätigt. Gegenüber dem Vorentwurf geht die Regierung in diesem Punkt noch weiter: Das Fördermodell sieht vor, dass grundsätzlich alle Kinder die Möglichkeit haben sollen, vor Kindergarteneintritt ein Jahr lang zweimal pro Woche eine Sprachspielgruppe zu besuchen, die von privat organisierten Tagesheimen und Spielgruppen angeboten werden. Einkommensschwache Familien, die ihren Kindern den Besuch einer Spielgruppe nicht bezahlen können, sollen von günstigeren Tarifen profitieren können.
Die basel-städtischen Pläne zur sprachlichen Förderung von Dreijährigen hat in den drei Partnerkantonen des Bildungsraums spontan ein positives Echo ausgelöst. Die vier Regierungen schlagen deshalb vor, die frühe sprachliche Förderung in den Staatsvertrag aufzunehmen. Bereits besteht eine vierkantonale Arbeitsgruppe, in der erste Ideen ausgetauscht werden. Da keine Notwendigkeit besteht, mit der Arbeit zu warten, bis die gesetzlichen Grundlagen für das selektive Obligatorium bestehen, läuft bereits seit Anfang Jahr ein vom Erziehungsdepartement in Auftrag gegebener Lehrgang für Betreuerinnen und Betreuer (vgl. Medienmitteilung vom 6.März 2009). Zudem hat das Erziehungsdepartement bereits einen intensiven Dialog mit Leiterinnen und Leitern der Spielgruppen aufgenommen.