Unsachgemässes Vorgehen der Bundesbehörden bei Kühlwasserdekontamination im AKW Leibstadt
MedienmitteilungGrosser Rat
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates hat sich mit der im Sommer 2011 durchgeführten Legionellenbekämpfung im Kühlwasser des AKW Leibstadt befasst und die Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung in Basel-Stadt geprüft. Die Untersuchung gibt Anlass zu erheblicher Kritik an den zuständigen Bundesbehörden und zeigt punktuell Verbesserungsmöglichkeiten beim Kanton. Es kann positiv festgehalten werden, dass die Trinkwasserqualität jederzeit einwandfrei war und der Kanton Basel-Stadt die erkannten Lücken bereits geschlossen hat.
Nach der Freigabe eines einmaligen Einsatzes von Bioziden zur Desinfektion des Kühlwassers im AKW Leibstadt durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) musste zwischen dem 28. Juni und dem 1. Juli 2011 chemisch verunreinigtes Kühlwasser in den Rhein abgelassen werden. Die Medien wiesen in ihrer Berichterstattung dazu auf eine Informationspanne grösseren Ausmasses hin. So habe das AKW Leibstadt die Öffentlichkeit erst am Vortag der Aktion in einer knappen Medienmitteilung informiert, eine umfassende Vorab-Information der Rheinanlieger im In- und Ausland habe gar nicht stattgefunden. Dies hätte in der Verantwortung des ENSI gestanden.
Bund informierte ungenügend und zu spät
Alarmiert durch diese Berichterstattung hat die GPK eine Untersuchung eingeleitet. Die Kommission fokussierte sich dabei auf die Situation im Kanton Basel-Stadt, da für sie die Trinkwassersicherheit im Kanton oberste Priorität geniesst. Sie liess sich vom Regierungsrat und den zuständigen Stellen über die Abläufe und die ergriffenen Massnahmen informieren. Dabei bestätigte sich der Vorwurf einer mangelhaften Informationspolitik der Bundesbehörden. Eher zufällig konnten die Basler Behörden die Rheinwasserentnahme zur Trinkwasseraufbereitung durch die Industriellen Werke Basel (IWB) und die Hardwasser AG noch rechtzeitig einstellen. Und das, obwohl seit November 2010 bekannt war, dass etwas gegen den Legionellenbefall im Kühlwasser des AKW Leibstadt unternommen werden musste und verschiedene Bundesämter spätestens seit Februar 2011 in das Entscheidverfahren involviert waren. Insbesondere muss die GPK das ENSI heftig kritisieren, welches seiner Informationspflicht nur mangelhaft nachgekommen ist. Die GPK wird die Oberaufsichtskommissionen des Bundesparlamentes informieren und um Massnahmen nachsuchen.
Auch der Kanton reagiert
Die GPK darf zu ihrer Zufriedenheit feststellen, dass auch die kantonalen Dienststellen, namentlich das Amt für Umwelt und Energie (AUE) sowie der Bereich Gesundheitsschutz, auf Bundesebene interveniert und eine Klärung der Zuständigkeiten und Abläufe verlangt haben. Auch intern hat der Kanton auf die Vorfälle reagiert, mitunter auf Anregung der GPK: Nachdem ein Schreiben des ENSI vom 20. Juni 2011 nicht umgehend beantwortet worden war, obwohl dieses auf den möglichen Einsatz von Bioziden hinwies, hat das AUE als Adressat dieses Schreibens die Regelung zur internen Postbearbeitung angepasst und seine Mitarbeitenden erneut für die Belange des Trinkwasserschutzes sensibilisiert. Zur Entlastung des AUE kann festgehalten werden, dass genanntes Schreiben keine Angaben zur Dringlichkeit machte, sondern lediglich Kontaktdaten für eine später zu erfolgende Meldung in dieser Sache erfragte. Von dieser Verzögerung abgesehen hat das Zusammenspiel der kantonalen Organisationen gut funktioniert und die notwendigen Massnahmen konnten rechtzeitig eingeleitet werden. Aufgrund der vorliegenden Fakten darf davon ausgegangen werden, dass das baselstädtische Trinkwasser zu jeder Zeit den vorgegebenen Qualitätsansprüchen genügte. Dennoch hat das Kantonale Laboratorium, welchem die Oberaufsicht über die Trinkwasserproduktion zukommt, zur fraglichen Zeit keine eigenen Trinkwasserkontrollen durchgeführt. Auch wenn sich die Messmethoden des Kantonalen Laboratoriums mit den Messmethoden der IWB decken, hätte die GPK mehr Eigeninitiative und eine intensivierte Kontrolltätigkeit erwartet. Diesem Wunsch wird seitens der Verwaltung in Zukunft entsprochen, wie der GPK zugesichert worden ist.
Hard als permanentes Risiko
Die erzwungene Unterbrechung der Rheinwasserentnahme zur Trinkwasseraufbereitung zeigte erneut das Risiko auf, welches sich durch die spezifische Situation in der Muttenzer Hard ergibt. Die möglichst kontinuierliche Einspeisung von Rheinwasser trägt zur Aufrechterhaltung des Grundwasserbergs bei, welcher die Infiltration von Giftstoffen aus den Muttenzer Deponien verhindert. Die GPK hat in ihren Jahresberichten bereits mehrfach auf diese Problematik hingewiesen und erwartet vom Regierungsrat, ihren Empfehlungen Folge zu leisten. Die plötzliche Notwendigkeit zur Unterbrechung der Rheinwasserentnahme kann im Extremfall zu einer Güterabwägung führen, wonach eine mögliche Verunreinigung von der einen oder anderen Seite, vom Rhein oder von den Deponieströmen, in Kauf genommen werden muss.
Weitere Desinfektions-Einsätze stehen bevor
Wie mit Medienmitteilung vom 30. Januar 2012 bekannt gegeben, hat das ENSI weitere Einsätze von Natriumhypochlorit, auch als Javelwasser bekannt, zur Desinfektion des Kühlwassers im AKW Leibstadt freigegeben. Die zugehörige Verfügung gesteht "kommunikative Schwächen" beim Einsatz vom Juni 2011 ein und hat die Verantwortung für die Information der betroffenen Stellen zukünftig dem AKW Leibstadt zugewiesen. Die GPK erwartet, dass alle betroffenen Rhein-Unterlieger rechtzeitig und umfassend über die konkreten Massnahmen informiert werden.