Gefährdungen von Kindern rechtzeitig erkennen
MedienmitteilungJustiz- und Sicherheitsdepartement
Forumsveranstaltung des Projekts Kindesschutz Basel-Stadt -- Schon zum zweiten Mal stellt die Lehrerin bei Petra blaue Flecken fest. Sie sei hingefallen sagt Petra. Sie wurde geschlagen denkt die Lehrerin. Wie soll man in dieser heiklen Situation vorgehen? Wie verhält es sich bei anderen Misshandlungsformen wie Vernachlässigungen oder psychischer Gewalt gegen Kinder? In diesen Fällen ist ein Erkennen noch schwieriger: Die Symptome treten erst mit der Zeit auf und sind weniger augenfällig. Wie lassen sich Gefährdungen und Misshandlungen erkennen und was gilt als Risikosituation? Diese Fragen wurden im Rahmen der Forumsveranstaltung des Projekts Kindesschutz Basel-Stadt am Donnerstagabend vor einem Fachpublikum im Scala-Theater diskutiert.
Fachleute, die mit Kindern zu tun haben, wie die oben erwähnte Lehrerin oder beispielsweise Mitarbeitende in Kinderkrippen, Spitälern oder Spielgruppen, werden oft als erste auf Misshandlungen aufmerksam und nehmen entsprechende Verdachtsmomente wahr. Auch private Bezugspersonen werden Zeugen von Gewalt oder stellen Dinge fest, die sie als Zeichen einer Gefährdung interpretieren. Was tun in solch’ heiklen Situationen? Das Projekt Kindesschutz, das seit 1999 in Basel-Stadt von privaten und öffentlichen Institutionen systematisch aufgebaut wird, hat zum Ziel, die Angebote professioneller Hilfe zu vernetzen und eine gemeinsame Kultur im Umgang mit Gefährdungen zu erreichen. Wie Erika Arnold, Vorsteherin der Vormundschaftsbehörde ausführte, werden durch das Projekt Kindesschutz die differenzierten Hilfeleistungen zusätzlich durch interdisziplinäre Gremien und durch standardisierte und video-dokumentierte Erstbefragungen ergänzt. Ziel ist es, bei verschiedenen Formen von Misshandlungen von Minderjährigen schnell, angemessen und zielgerichtet handeln zu können.
Gefährdungen erkennen, Risiken einschätzen
Aktuelle Enthüllungen von Kinderpornographie im Internet, Kindsentführungen und andere spektakuläre Fälle zeigen nur eine Seite eines betrüblichen Themas in unserer Gesellschaft: der Gewalt gegen Kinder. Dabei wird oft vergessen, dass ein Grossteil der Übergriffe auf Kinder innerhalb des näheren sozialen Umfelds, der Familie oder des Bekanntenkreises erfolgen, und zwar in allen sozialen Schichten und in allen Kulturen. Dr. Heinrich Nufer, Leiter des Marie Meierhofer-Institutes für das Kind, Zürich, plädierte in seinem Referat für eine Enttabuisierung der Thematik. Er lieferte ein differenziertes Bild der unterschiedlichen Gefährdungsarten, denen Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind. Die Wahrnehmung von Gefährdungen führe allerdings oft zu Verunsicherungen, so Nufer, sodass Risiken nicht mehr adäquat eingeschätzt werden könnten. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Beratung durch Fachstellen.
Konkrete Wege im Kanton Basel-Stadt
So verschieden die Gefährdungssituationen, so spezifisch sind die Wege, wie mit diesen umzugehen ist. Fachpersonen aus dem Projekt Kindesschutz Basel-Stadt berichteten an der Forumsveranstaltung aus der Praxis und verdeutlichten Chancen und Konsequenzen eines strafrechtlichen, zivilrechtlichen und beraterisch freiwilligen Weges. Auch über die Opferhilfe, deren gesetzlicher Auftrag und die Möglichkeiten finanzieller Unterstützung wurde referiert. Zum Schluss gab Erika Arnold eine Übersicht über die Ausrichtung der neun im Projekt zusammengeschlossenen Anlaufstellen.
In der anschliessenden Diskussion orteten einzelne Anwesende noch Verbesserungsbedarf beim behördlichen Vorgehen. Die vorgebrachten Fälle, auf die aus Datenschutzgründen nicht konkret eingegangen werden konnte, veranschaulichten eine Hauptschwierigkeit: Einerseits sehen die Behörden sich mit der Erwartung konfrontiert, dass bei Verdachtsmomenten mit sofortigen Schutzmassnahmen eingegriffen wird; andererseits machen Beschuldigte gegenüber Behörden das Recht geltend, erst dann mit Konsequenzen rechnen zu müssen, wenn die gegen ihre Person erhobenen Verdachtsmomente tatsächlich erhärtet werden konnten. Die mit dem Projekt angestrebten und auch bereits erzielten Verbesserungen beim Kindesschutz und die Tatsache, dass sich die Projektbeteiligten mit solchen Forumsveranstaltungen der Diskussion stellen, zeigen die Ernsthaftigkeit der Bemühungen auf Seiten der Fachpersonen.
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