Klarstellung zum Fall Estrada
MedienmitteilungJustiz- und Sicherheitsdepartement
Mit einer Postkartenaktion an die Regierung und Petitionen setzen sich derzeit viele Baslerinnen und Basler für den Verbleib der sich hier illegal aufhaltenden Familie Estrada aus Ecuador ein in der Überzeugung diese würde die Kriterien für die Erteilung einer Härtefallbewilligung erfüllen. Da in diesem Zusammenhang mit falschen Zahlen und Angaben operiert wird sehen sich die Einwohnerdienste zu einer Klarstellung und einer Darlegung der Umstände veranlasst wieso das Gesuch um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Grund eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls nicht ans Bundesamt für Ausländer in Bern weitergeleitet wurde.
Die Bestimmungen des Ausländer- und Asylrechts sehen vor, dass rechtswidrig anwesende Ausländerinnen und Ausländer die Schweiz verlassen müssen, wenn die Wegweisung möglich, zulässig und zumutbar ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind gemäss Praxis der zuständigen Bundesbehörden nur möglich, wenn ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt. Zu den Kriterien, ob ein Härtefall vorliegt, gehört beispielsweise die Aufenthaltsdauer. Bei einem Aufenthalt von weniger als vier Jahren geht das Bundesamt für Ausländer davon aus, dass kein Härtefall besteht, sofern keine besonderen Umstände, wie zum Beispiel eine schwere Krankheit, vorliegen. Rechtswidrige Aufenthalte in der Schweiz werden nach den bisherigen Bundesgerichtsentscheiden bei der Härtefallprüfung grundsätzlich nicht berücksichtigt.
Der illegale Aufenthalt der Familie Estrada in der Schweiz wurde bereits im Juni 2000 festgestellt (Details siehe untenstehende Chronologie). Herr Estrada hielt sich zum damaligen Zeitpunkt seit zwei Jahren illegal in der Schweiz auf, seine Gattin seit anderthalb Jahren und die Kinder seit rund einem Jahr. Die Familie erfüllt also die geforderte Mindestaufenthaltsdauer von vier Jahren bei weitem nicht.
Seit dem Juni 2000 wurde Herr Estrada mindestens acht Mal darüber informiert, dass nach der geltenden Bundesgesetzgebung für ihn und seine Familie keine Möglichkeit der Regelung des Aufenthaltes in der Schweiz bestehe. Mindestens drei Mal kamen die Einwohnerdienste dem Wunsch nach einer Verlängerung der Ausreisefrist nach. Dies jedesmal unter der Voraussetzung, dass auch Herr Estrada sich kooperationsbereit zeige, was er jeweils zusicherte. Mindestens zwei Termine zwischen Herrn Estrada und den Einwohnerdiensten platzten, da dieser sich im Ausland aufhielt. Im April 2001 erklärte Herr Estrada, er würde mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Spanien erhalten und könnte mit seiner Familie ausreisen. Am Vorabend der auf den 24. August 2001 festgelegten Ausreise mit den durch die Einwohnerdienste organisierten Flugtickets erklärte Herr Erstrada, er wolle nun doch nicht freiwillig ausreisen.
Seit über zwei Jahren verzögert Herr Estrada das laufende Verfahren mit stets neuen Erklärungen, wieso die Ausreise seiner Familie noch nicht erfolgen könne. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hielt dazu bereits im Dezember 2001 fest, dass dieses Verhalten in Verbindung mit dem Aufenthaltsgesuch "geradezu rechtsmissbräuchlich" sei.
Trotzdem wurde im Rahmen der "Aktion Sans-Papiers" auch das Dossiers der Familie Estrada nochmals nach Möglichkeiten einer Aufenthaltsregelung in der Schweiz auch durch das Härtefallgremium überprüft - mit negativem Ergebnis.
Chronologie
Am 8. Juni 2000 wurde eine damals 10-jährige Tochter der Familie Estrada von der Kantonspolizei Basel-Stadt angehalten und festgestellt, dass das Kind nicht angemeldet war. Als sich die Polizei mit dem Vater in Verbindung setzte, erklärte dieser, sich mit seiner Familie seit zwei Jahren hier aufzuhalten und zu arbeiten. Es kam zu einer Abnahme der Reisepässe zu Handen der Einwohnerdienste und zu einer Vorladung der Einwohnerdienste auf den 21. Juni 2000 zu einem ersten Gespräch zur Klärung des Aufenthalts.
Herr Estrada bestätigte anlässlich dieser Einvernahme, dass er sich seit zwei Jahren in der Schweiz aufhalten würde. Vor Einführung der Visumspflicht sei er während der erlaubten drei Monate oft in der Schweiz gewesen und habe seinen Lebensunterhalt als Strassenmusikant verdient und dabei zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz gependelt. Weiter gab Herr Estrada an, seit drei Jahren auf verschiedenen Baustellen in Frankreich zu arbeiten. Seine Ehefrau sei im Februar 1999 in die Schweiz gereist und die Kinder seien im Juni 1999 nach Basel nachgekommen. Diese gingen nun zur Schule beziehungsweise in den Kindergarten. Herr Estrada gab weiter an, er sei sich über die Widerrechtlichkeit seines Tuns im Klaren. Formell wurde ihm an dieser Einvernahme eröffnet, dass er und seine Familie sich rechtswidrig in der Schweiz aufhalten und folglich auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Gleichzeitig wurden eine Verzeigung sowie fremdenpolizeiliche Massnahmen in Aussicht gestellt.
Über einen Rechtsvertreter stellte Herr Estrada mit Schreiben vom 8. Juni 2000 (eingegangen am 17. Juli 2000) einen Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung unter dem Titel der humanitären Bewilligung oder eventualiter unter dem Titel "Facharbeitsbewilligung im Rahmen des Kontingentes". In dem Schreiben wurde angegeben, die Familie sei schon seit mehreren Jahren in der Schweiz. Einem beigelegten Blatt ohne Unterschrift war zu entnehmen, Herr Estrada weise an der linken Hand und an beiden Füssen eine Behinderung auf. Bezüglich der Ehefrau und im Widerspruch zur Aussage vom 21. Juni 2000 wurde festgehalten, sie sei erstmals 1995 in die Schweiz gereist und habe als Putzfrau in privaten Haushalten gearbeitet. Der Ehemann sei damals bei den Kindern in Ecuador geblieben. 1996 habe man die Rollen getauscht, Herr Estrada habe zuerst als Strassenmusikant, später in der Baubranche gearbeitet. 1999 sei die Familie nachgekommen.
Das Gesuch wurde eingehend geprüft. Abklärungen des Kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) ergaben, dass keine Möglichkeit bestehe, ein Jahreskontingent freizustellen ohne die Zustimmung des Bundesamtes für Ausländer, das in ähnlichen Fällen eine ablehnende Praxis pflegt. Dies wurde Herrn Estrada in einem persönlichen Gespräch am 9. November 2000 mitgeteilt, an dem nebst den Vertretern der EWD auch sein Rechtsvertreter, der Lehrer einer Tochter und eine weitere Person teilnahmen. Ebenfalls wurde erläutert, wieso keine Aussicht auf eine Aufenthaltsbewilligung bestehe. Die Einwohnerdienste erklärten sich aber bereit, eine verlängerte Ausreisefrist zwischen drei und sechs Monaten anzusetzen unter der Bedingung der Kooperationsbereitschaft und dass die Rückreise durch die EWD organisiert werde.
Am 25. Januar 2001 kam es zu einem weiteren Gespräch. Entgegen seinen Angaben vom 21. Juni erklärte Herr Estrada, nicht gewusst zu haben, dass er im Rahmen eines Touristenaufenthaltes nicht arbeiten dürfe. Herr Estrada erklärte wiederum, seine Frau habe 1995 in der Schweiz gearbeitet, danach nach Ecuador zurückgekehrt und erst 1999 wieder eingereist.
Ein weiteres Gespräch zur Vorbereitung der Ausreise konnte nicht stattfinden, da Herr Estrada in Spanien weilte. Seinem Rechtsvertreter wurde aber mitgeteilt, die Familie müsse die Schweiz verlassen.
Am 19. April 2001 fand ein weiteres Gespräch statt. Herr Estrada erklärte, er habe in Spanien die Möglichkeit für einen legalen Aufenthalt geprüft, da er mit einem negativen Bescheid der schweizerischen Behörden gerechnet habe. Er habe in Spanien eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung eingereicht und habe auch die Zusicherung einer Arbeit. Es sei ihm mitgeteilt worden, die erwähnten Bewilligungen werde er erhalten, und er könnte danach die Familie nach Spanien nehmen. Herr Estrada bat an diesem Gespräch um eine Verlängerung der Ausreisefrist von ursprünglich April 2001 bis Ende Juni 2001, damit die Kinder das Schuljahr beenden könnten. Für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Bewilligungen aus Spanien noch nicht eingetroffen seien, würde der Entscheid in einem anderen Staat abgewartet. Da Herr Estrada versicherte, sich an die Anordnungen der EWD zu halten, wurde eine Verlängerung der Ausreisefrist auf den 30. Juni 2001 akzeptiert und ein neuer Termin auf den 12. Juni 2001 vereinbart. An diesem Termin erschien Herr Estrada nicht*.
Im Mai 2001 wandten sich die Lehrer der Estrada-Kinder an den Departementsvorsteher des PMD und baten um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die Familie. In seiner Antwort vom 23. Juli zeigte der Vorsteher des PMD Verständnis für die Situation und hielt unmissverständlich fest, dass selbst unter Berücksichtigung aller menschlichen Aspekte ein rund anderthalbjähriger illegaler Aufenthalt keine Grundlage für eine dauerhafte Aufenthaltsregelung bilde und ein derartiges Gesuch die benötigte Zustimmung des Bundesamtes für Ausländer nicht erhalte.
Am 28. Mai 2001 legte Herr Estrada in einem Schreiben an den Vorsteher des PMD erneut die Gründe dar, weshalb in seinem Falle eine Aufenthaltsregelung aus humanitären Gründen angezeigt sei. In der entsprechende Antwort vom 24. Juli 2001 wurde Herr Estrada darauf hingewiesen, dass der Ausreiseentscheid bestehen bleibe und endgültig sei.
Gegen dieses Antwortschreiben des Vorstehers PMD meldete Herr Estrada am 2. August 2001 beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt durch seinen Rechtsvertreter Rekurs an. Die Rekursbegründung erfolgte innerhalb der zweimal erstreckten Frist am 10. Okober 2001. Am 8. November 2001 überwies das Justizdepartement den Rekurs an das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht, das nicht auf den Rekurs eintrat und mit Urteil vom 11. Dezember 2001 unmissverständlich festhielt: ("....) dass überdies das Vorgehen der Rekurrenten als geradezu rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, nachdem sie zunächst klar ausgesagt hatten, die Schweiz verlassen zu wollen und nun über das geschilderte Vorgehen doch noch zu einer Bewilligung gelangen wollten,(...)".
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*Nachdem Herr Estrada am 12. Juni 2001 nicht zum vereinbarten Termin erschienen war, wurde er nach mehrmaligen Versuchen, telefonisch Kontakt aufzunehmen, schriftlich aufgefordert sich zu melden. Am 26. Juli 2001 teilte Herr Estrada mit, er befände sich auf Menorca und könne einen neuen Termin nicht wahrnehmen. Der Rückflug sei auf den 10. August geplant. In Spanien sei nun alles in die Wege geleitet und einer Einreise der Familie stehe nun nichts mehr im Wege. Auch anlässlich dieses Gesprächs wurde Herrn Estrada zum wiederholten Male mitgeteilt, dass die Ausreise noch im August 2001 stattfinden müsse. Als Ausreisedatum wurde der 24. August 2001 festgelegt und die Tickets nach Menorca durch die EWD entsprechend gebucht.
Am 23. August 2001 teilte Herr Estrada mit, dass er mit seiner Familie nun doch nicht mit den von den EWD zur Verfügung gestellten Tickets freiwillig nach Menorca ausreisen und den oben erwähnten endgültigen Rekursentscheid abwarten wolle. Herrn Estrada wurde daraufhin erklärt, dass er im Falle eines Nichteintretens der Rekursinstanz die Schweiz zusammen mit der Familie unverzüglich zu verlassen hätte und die Ausreise in diesem Falle nach Ecuador erfolgen müsse.
Am 11. März 2002 reichte Herr Estrada im Rahmen der "Aktion Sans-Papiers" ein formelles Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls gemäss Art. 13 lit. F BVO für sich und seine Familie ein. Das Gesuch wurde mit Datum vom 5. Juni 2002 abgelehnt und eine neue Ausreisefrist bis 6. September 2002 verfügt.
Gegen diese Verfügung hat der Rechtsvertreter der Familie Estrada Rekurs eingelegt.