Der Wald braucht uns
MedienmitteilungDepartement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt
Neue Ergebnisse aus 29 Jahren interkantonaler Walddauerbeobachtung -- Der Wald leidet an der zu hohen Belastung mit Stickstoff. Das belegt der neueste Bericht zur interkantonalen Walddauerbeobachtung, den das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) in diesem Sommer vorlegte. Zentrale Erkenntnis: die Stickstoffbelastung führt zur Versauerung der Waldböden und stört die Nährstoffversorgung der Pflanzen. Dies erhöht die Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten und vermindert die Widerstandskraft der Bäume gegenüber Windwurf und Trockenheit – jenen Folgen des Klimawandels, die künftig vermehrt auftreten dürften.
Dank grosser Bemühungen im Umweltschutz konnten in den 1980er-Jahren einige für den «sauren Regen» verantwortliche Schadstoffemissionen stark reduziert und die Belastung des Waldes verringert werden. Der Wald sieht für Laien auf den ersten Blick gesund aus. Aber der Schein trügt, denn die Stickstoffemissionen sind weiterhin hoch und zehren an der Waldgesundheit – schleichend und unauffällig.
Die vom Menschen verursachten Stickstoffemissionen aus Landwirtschaft (Viehwirtschaft und Hofdüngermanagement), Industrie und Verkehr liegen seit vielen Jahren weit über dem, was für den Wald tragbar ist, und führen zur fortschreitenden Versauerung der Schweizer Böden und zu einer Stickstoffüberdüngung. Dies belegen die Messreihen aus Boden- und Pflanzenuntersuchungen, die das IAP seit 29 Jahren im Auftrag von 8 Kantonen und des Bundesamtes für Umwelt durchführt. Als Folgen der Stickstoffbelastung nennt das IAP zum Beispiel Nährstoffauswaschung aus dem Wurzelraum, Nährstoffungleichgewichte bei Pflanzen, reduziertes Stammwachstum der Bäume auf vielen Flächen, erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten, geringere Bewurzelung und dadurch verminderte Widerstandskraft der Bäume gegenüber Windwurf und Trockenheit.
Dringender Handlungsbedarf
Die früheren Folgerungen aus den Ergebnissen der interkantonalen Walddauerbeobachtung werden auch dieses Jahr bestätigt: Weitere Einschränkungen der Stickstoffemissionen in der Landwirtschaft sowie bei Verkehr und Industrie sind für die Wiederherstellung und den langfristigen Erhalt der Waldgesundheit notwendig.
In der Landwirtschaft findet seit einigen Jahren ein Umdenken statt. Wirksame Massnahmen zur Reduktion der Stickstoffbelastung sind:
- emissionsarmes Ausbringen der Gülle (z.B. Schleppschläuche, Gülleinjektion)
- emissionsärmere Stallsysteme
- abgedeckte Güllelager
Die Ansätze sind begrüssenswert. Um den grundsätzlich zu hohen Stickstoffeintrag zu senken, müssen aber die Massnahmen flächendeckend durchgeführt und intensiviert werden. Es braucht zudem weitere Verbesserungen bei der Reduktion der Stickstoffemissionen durch andere Quellen wie Verkehr und Industrie.
Die Waldwirtschaft ist gezwungen, auf die zu hohen Stickstoffemissionen zu reagieren. Allein kann sie aber nur die Symptome bekämpfen. Massnahmen zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit sind:
- naturnahe Waldbewirtschaftung
- Förderung von Baumarten, deren Streu sich rasch zersetzt, sodass die Nährstoffe schneller im Wurzelraum verfügbar sind (z.B. Ahorn, Esche, Linde)
- Baumartenmischungen, die den Wurzelraum gut erschliessen
- Vermeiden von Kahlschlägen
- Belassen von Laub und Ästen im Wald, weil diese die meisten Nährstoffe enthalten
Neben der Landwirtschaft sind auch andere Branchen und die Politik gefordert, bereits bestehende Reduktionsmöglichkeiten umzusetzen. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, sind die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, z. B. durch ähnliche Regeln, wie sie bei der CO2-Kompensation gelten. Auch eine Beteiligung an den Kosten der Walderhaltungsmassnahmen nach dem Verursacherprinzip könnte eine positive Entwicklung beschleunigen. Die Umsetzung der Massnahmen dient dem Erhalt der Waldgesundheit. Dies hat nicht zuletzt Konsequenzen für die dauerhafte Erfüllung der Waldleistungen und betrifft darum alle Nutzniesser des Waldes.
Frühwarnsystem Waldbeobachtung
Seit 1984 führt das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie im Auftrag der acht Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Thurgau, Zug und Zürich sowie des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) eine Walddauerbeobachtung durch. In umfangreichen Messreihen auf heute 179 über die Schweiz verteilten Flächen werden Böden und rund 13’500 Fichten, Buchen und Eichen untersucht. Die wichtigsten Messgrössen der Waldbeobachtung sind Kronenzustand, Nährstoffstatus, Trieb- und Stammwachstum, Pflanzengemeinschaft, Wurzeln und Boden. Mit dem Beobachtungs- und Forschungsprogramm verfügt die Schweiz über ein wissenschaftliches Frühwarnsystem für das Ökosystem Wald.
Der Begriff «Waldsterben» stammt aus den 1980er-Jahren, weil damals aufgrund der sehr hohen Schwefeleinträge in einzelnen Regionen Europas ganze Waldbestände zugrunde gingen. Gab es zu Beginn der Waldschadensforschung nur vereinzelte Versuchsflächen und lückenhafte Datengrundlagen, so wird heute die Entwicklung des Waldes auf vielen Flächen mit Langzeitstudien interdisziplinär untersucht. Ein wichtiges Kennzeichen einer aussagekräftigen Wald- und Ökosystemforschung ist die Langzeitbeobachtung.
Hinweise
Weitere Informationen: www.waldbeobachtung.ch
Die Broschüre «Wir brauchen den Wald - Der Wald braucht uns. 29 Jahre Waldbeobachtung. Zustandsbericht 2013» kann bestellt werden beim Amt für Wald beider Basel. Zudem steht sie zum Download bereit auf: www.waldbeobachtung.ch