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Lindan-Sanierung – Messergebnisse und Beurteilung durch Experten liegen vor

Medienmitteilung

Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt

Das Amt für Umwelt und Energie und das Lufthygieneamt beider Basel haben in einer gemeinsamen Messkampagne festgestellt, dass zwar im Boden erhöhte Lindan-Belastungen nachweisbar sind – die aber keine Gefährdung für die Bevölkerung darstellen. Gemessen wurde auch die Konzentration von Lindan in der Luft. Lindan kann zwar nachgewiesen werden, die beigezogenen Experten schliessen aber eine Gefährdung der Bevölkerung aus. Eine Beurteilung der gemessenen Staubniederschläge ist aufgrund der heutigen Kenntnisse nicht möglich. Die Behörden begrüssen die in die Wege geleiteten Optimierungsmassnahmen von Novartis und werden sie nach Wiederaufnahme der Sanierungsarbeiten überprüfen.

Ab dem 5. September 2013 haben das Lufthygieneamt beider Basel und das Amt für Umwelt und Energie an verschiedenen Orten in Gross- und Kleinbasel umfangreiche Luft- und Bodenuntersuchungen in Gang gesetzt.

1. Messergebnisse und Beurteilung

1.1 Boden
Die Messungen von 32 Bodenproben haben ergeben, dass an 24 Orten die Belastung mit HCH (HCH: Hexachlorcyclohexan; bestehend aus den Isomeren Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta-, Epsilon-HCH) unter 100 µg/kg (µg/kg: Mikrogramm pro kg; 1 Millionstel Gramm Schadstoff pro Kilogramm Boden) liegt. An acht Standorten wurden erhöhte Werte gefunden zwischen 120 und 1400 µg/kg. (Siehe dazu auch die Medienmitteilung vom 16. September 2013 sowie sämtliche Messresultate auf der Website des Amt für Umwelt und Energie)

Die in den oberen Bodenschichten gemessenen Werte liegen mit wenigen Ausnahmen deutlich unter dem in der Wegleitung Bodenaushub (BUWAL 2001) aufgeführten Prüfwert von 1'000 µg/kg. Aus Sicht der Experten stellt dies kein Gesundheitsrisiko dar. Weitere Einträge müssen aber vermieden werden.

Alte Belastungen: An drei Stellen (am Altrheinweg) wurden in der obersten Bodenschicht deutlich höhere Werte festgestellt (teilweise höher als 1000 µg/kg HCH). An diesen Stellen wurden in der Folge auch tiefere Bodenproben entnommen, in denen ebenfalls HCH-Gehalte bis zu 920 µg/kg HCH nachgewiesen werden konnten. Die hohen Belastungen fanden sich noch in Tiefen von 26-33 cm. Sie hängen also eindeutig nicht mit den in den letzten Wochen emittierten Stäuben zusammen. Es handelt sich um Altablagerungen, welche vermutlich aus der Zeit der ehemaligen offenen Deponierung stammen.

Lindan gehört zu den schwer abbaubaren Pestiziden. Die Halbwertszeit, also die Zeit, bei der jeweils die Hälfte des Stoffes abgebaut wird, beträgt ca. 15 Monate. Aus diesem Grund erstaunt es nicht, dass in tieferen Bodenschichten nach wie vor Lindan nachgewiesen werden kann.

1.2 Staubimmissionen in der Luft als Konzentration
Anhand der Schadstoffkonzentration in der Luft wird die über die Atmung eingenommene Schadstoffmenge bewertet. Die Experten H. Kruse und M. Schlumpf empfehlen, den Beurteilungen einen Toleranzwert von 300 ng Lindan/m3 zugrunde zulegen. Dieser Toleranzwert geht von lebenslanger Aufnahme durch Atmung aus und ist aufgrund der angewendeten Unsicherheitsfaktoren als sehr tief einzustufen.

Die verschiedenen HCH-Isomere wurden wegen ihren unterschiedlichen gesundheitlichen Auswirkungen differenziert beurteilt. Für die Beurteilung werden das Beta-HCH wegen seiner hohen Giftigkeit und das Alpha-HCH wegen seiner mengenmässigen Dominanz näher betrachtet; das eigentliche Lindan (Gamma-HCH) spielt eine untergeordnete Rolle und kann vernachlässigt werden.

Es wurde an drei Standorten unmittelbar vor, unmittelbar nach und eine Woche nach Einstellung der Sanierungsarbeiten gemessen. Für beta-HCH wurden Werte kleiner 0.5 bis 3.1 ng/m3 (ng/m3kg: Nanogramm pro Kubikmeter; 1 Milliardstel Gramm Schadstoff pro Kubikmeter Luft) gemessen; der von H. Kruse ermittelte Toleranzwert liegt bei 30 ng/m3. Für das alpha-HCH wurden Werte zwischen 8.5 und 130 ng/m3 gemessen; der Toleranzwert liegt bei 150 ng/m3. Die Werte bei der letzten Messung (nach Einstellung der Sanierungsarbeiten) lagen erwartungsgemäss deutlich tiefer als bei den ersten beiden Messungen.

H. Kruse beurteilt die gemessenen Werte auch unter sehr konservativen Annahmen als unproblematisch; das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung kann als sehr gering bezeichnet werden. Würde man alternativ den Richtwert der WHO für Innenluft als Referenzwert nehmen (1'000ng/ m3), lägen alle gemessen Werte weit darunter. Vor dem Hintergrund, dass die Sanierung und die dadurch verursachten Emissionen zeitlich begrenzt sind und es sich bei den Toleranzwerten um Langzeitwerte handelt, ist die Schadstoffkonzentration in der Luft nur bedingt zur Überwachung der Sanierung geeignet.

1.3 Staubniederschlag in der Luft
An insgesamt acht Stellen wurden vom 9. bis 30. September 2013 Staubniederschlagsproben genommen. Sie geben Aufschluss darüber, welche Staubmenge über einen bestimmten Zeitraum über den Luftweg in den Boden eingetragen wird. Die Beurteilung erfolgt anhand der Bodenschutzprüfwerte. Die Resultate zeigen auf, dass die Belastung an HCH im Staubniederschlag auf dem Sanierungsgelände in Huningue (F) mit 356 µg pro m2 und Tag am höchsten war. In unmittelbarer Nähe auf der Grossbasler Seite wurden Werte zwischen 39 und 78 µg/ (m2 x Tag) gemessen. An den fünf Standorten auf der Kleinbasler Seite lagen die Werte zwischen 8 und 186 µg/ (m2 x Tag).

Gemäss Einschätzung des Experten ist eine toxikologische Beurteilung der gemessenen Werte nicht möglich; diese erlauben einzig eine Kontrolle des Belastungsverlaufs; sie können indes als Indikator zur Überwachung der Sanierung verwendet werden. So beweisen die Messungen auch, dass es tatsächlich erhöhte Staubemissionen gegeben hat und dass die vorläufige Einstellung der Arbeiten gerechtfertigt war.

1.4 Oberflächengewässer
Mit Hilfe von modernsten Analysegeräten werden im Labor des Amtes für Umwelt und Energie in Basel die Wasserproben auf eine Vielzahl von Einzelstoffen geprüft, zu welchen auch das HCH gehört. Die Werte lagen jeweils unter 2 ng/L. Weil die HCHs mehrheitlich an Partikel gebunden sind, wurden die Untersuchungen des Wassers durch die Analyse von Schwebstoffproben ersetzt. In den Schwebstoffen lagen die Werte immer unter 10 µg/kg. Wegen dem hohen Akkumulationsvermögen des Lindans wurden zur Sicherheit Fischproben erhoben, welche zurzeit untersucht werden.

2. Folgerungen

Aufgrund der umfangreichen Untersuchungen und Abklärungen kann gesagt werden, dass die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt gefährdet war, weshalb auch keine unmittelbaren Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung empfohlen werden mussten. Aus Vorsorgegründen hat das AUE der Stadtgärtnerei empfohlen, den Sand in den Sandkästen im unteren Kleinbasel und im St. Johann-Quartier auszutauschen. Auf den Verzehr von Obst und Gemüse oder Kräutern muss nicht verzichtet werden. Es empfiehlt sich aber, diese sorgfältig mit warmem Wasser zu waschen.

Die Sanierungsarbeiten werden nach der Wiederaufnahme noch mehrere Monate dauern. Der Start der Arbeiten erfolgt jedoch erst, wenn die Betreiber aufzeigen können, dass die Belastung der Bevölkerung durch Staub, Luft und Gerüche stark reduziert wird, die Grenzwerte zur Überwachung der Deponieemissionen festgelegt sind und sich die französischen sowie die baselstädtischen Behörden mit Novartis über die angepassten Massnahmen einig sind. Das AUE und das LHA werden ihre Messungen bis zum Abschluss der Sanierungsarbeiten in Hüningen weiterführen, um sicherzustellen, dass die Grenzwerte eingehalten werden.

3. Beizug von Experten

Weil es für die Beurteilung der gemessenen Werte keine Referenzwerte gibt, hat das AUE sämtliche gemessenen Daten an aussenstehende Fachpersonen zu einer Risikobeurteilung weitergeleitet. Es handelt sich um folgende Personen:

  • Dr. Hermann Kruse (Institut für Toxikologie und Pharmakologie, Universitätsklinikum Kiel)
  • Dr. Martin Schiess, Leiter der Abteilung der Luftreinhaltung und Chemikalien im Bundesamt für Umwelt (BAFU)
  • PD Dr. Margret Schlumpf, Greentox, Universität Zürich.

4. Zur Gefährlichkeit von Lindan

4.1 Einsatz von Lindan
Früher war die Verwendung von Lindan in Pflanzenschutzmitteln und in Medikamenten zur äusseren Verwendung beim Menschen - u.a. zur Therapie von Krätze und anderen Hautkrankheiten – aber auch in der Veterinärmedizin zulässig. Ab 1980 wurde der Einsatz jedoch massiv eingeschränkt und ab 2001 wurde Lindan in der EU vom Markt genommen. Heute gehört Lindan (bzw. HCH) zu den Stoffen, die durch die Stockholmer Konvention weltweit verboten sind.

4.2 Toxizität
Die Risikoeinschätzung basiert vor allem auf dem WHO Bericht “Health Risks of Persistent Organic Pollutants from Long-Range Transboundary Air Pollution“ (publiziert 2003) sowie auf drei Berichten betreffend Risiko Profilen von Lindan, Alpha- und Beta-HCH, welche im Rahmen der Revision der Stockholmer POPs Konvention von der UNEP 2007 publiziert wurden.

Die akute Toxizität von Lindan ist relativ gering, erst nach der Einnahme von grösseren Mengen kommt es zu Schwindel, Krämpfen und Erbrechen.

Über die chronische Toxizität ist nur sehr wenig bekannt. Gemäss Auskunft des BAFU konnte bislang der Verdacht über eine mögliche kanzerogene Wirkung nicht definitiv bestätigt werden. Weder die USEPA noch die EU stufen HCH als kanzerogen für den Menschen ein, ebenso fehlt eine Klassierung als genotoxische Substanz. Andere Studien weisen jedoch auf eine mögliche krebserregende Wirkung hin. Daneben werden weitere Effekte wie Blutbildveränderung und immunsuppressive Effekte beschrieben. Auch die Beeinflussung des Hormonstoffwechsels wird für wahrscheinlich gehalten.

Hinweise

Sämtliche Messergebnisse finden sich auf der Website des Amts für Umwelt und Energie

Weitere Auskünfte

Jürg HoferTel. +41 61 639 22 26 Leiter Amt für Umwelt und Energie juerg.hofer@bs.ch

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