Mit dem eigenen Laptop an die Maturprüfung
NewsIm Kanton Basel-Stadt enthalten dieses Jahr alle Maturprüfungen mindestens einen digitalen Teil. Anja Renold, Rektorin des Gymnasiums Kirschgarten und Co-Projektleiterin des kantonalen Projekts «Lernen und Prüfen in einer Kultur der Digitalität» spricht über Herausforderungen und Mehraufwand – und sagt, warum die Einführung der digitalen Matur ein logischer Schritt ist.

Die Gymnasiast*innen, die im Mai 2025 im Kanton Basel-Stadt ihre Maturprüfungen absolvieren, sind der zweite Jahrgang, der seit Beginn ihrer Gymnasialzeit neben den traditionellen Lehrmitteln auch die eigenen digitalen Geräte im Unterricht dabei hat und einsetzt. BYOD – Bring your own device – heisst das Schlagwort. Und nun sind sie der erste Jahrgang, der kantonsweit flächendeckend digitale Maturitätsprüfungen absolviert.
«Damit passen wir die Maturprüfungen an die Gymnasialzeit an, in der die Schüler*innen ihre Geräte bereits im Unterricht und in Prüfungen eingesetzt haben», sagt Anja Renold, Rektorin des Gymnasiums Kirschgarten und Co-Projektleiterin des kantonalen Projekts «Lernen und Prüfen in einer Kultur der Digitalität» (LPKD). Nach einem erfolgreichen Pilotversuch mit einzelnen Klassen im Jahr 2024, «haben 2025 alle Fächer einen Prüfungsteil, der mit dem digitalen Gerät absolviert wird», wie Anja Renold ausführt. Einzig für Mathematik gilt derzeit noch eine Ausnahmebewilligung.
Zurückhaltung bei den Lehrpersonen
Eine Euphoriewelle sei in den Kollegien nicht ausgebrochen, als der Entscheid für eine digitale Maturprüfungen feststand, räumt Anja Renold ein, «aber es war der logische nächste Schritt im Change-Prozess und in einem kleinen Kanton wie Basel-Stadt ist es auch die klare Strategie, diesen Schritt an allen Gymnasien gemeinsam zu gehen.» Für die zurückhaltenden Reaktionen der Lehrpersonen gebe es verschiedene Gründe, sagt die LPKD-Co-Projektleiterin. Einerseits sähen nicht alle die Notwendigkeit von digitalen Prüfungen, andererseits spiele bei einem Teil der Lehrpersonen auch Überforderung eine Rolle und ein anderer Teil sehe höhere Betrugsanfälligkeit.
In den vergangenen rund anderthalb Jahren ging es deshalb darum, einen gemeinsamen Nenner zu finden. «Die Kollegien haben viel Freiraum bei der Vorbereitung der Prüfungsaufgaben», so Renold. «Wichtig ist, alle Lehrpersonen in den Fachgruppen mitzunehmen. » Entscheidend sei der längerfristige Entwicklungsprozess. «Es gab Vorschläge für digitale Aufgaben, die eine Kollaboration der Schüler*innen und den Einsatz von KI-Tools vorsahen, die aktuell aber noch nicht zum Zuge kamen.»
Technik rückt in den Fokus
Neben dem eigentlichen Erarbeiten der Prüfungsaufgaben bedeuten die digitalen Maturprüfungen für die Gymnasien und ihre Schulleitungen auch, dass technische Anforderungen in den Fokus rücken. Sind genügend Steckdosen vorhanden? Gibt es genügend Ersatzgeräte, falls Laptops von Maturand*innen ausfallen? Auf welchen Plattformen wird geprüft? Funktioniert der Safe-Exam-Browser? All diese Fragen müssen im Vorfeld geklärt werden. «Das bedeutet schon einen Mehraufwand», sagt Anja Renold. «Dieser ist aber nicht riesig und wird im regulären Schulalltag eingeübt.» Sie ist deshalb auch sehr zuversichtlich, dass am Tag X alles klappt. «Und im Notfall gibt es ja immer noch die Option, die Prüfungen auf Papier schreiben zu lassen.»
PH FHNW begleitet die Einführung
Michael Ruloff, Leiter der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung Sekundarstufe II an der PH FHNW begleitet mit seinem Team die Einführung der digitalen Maturprüfungen in Basel-Stadt wissenschaftlich. Bereits in der Pilotphase 2024 fand eine Evaluation statt und diese wird auch dieses Jahr wieder durchgeführt. «Da sich alle Gymnasien im Kanton gemeinsam auf den Weg machen, ist eine Vollerhebung möglich. Das macht die Begleitung sehr spannend», betont Ruloff. Bei der Evaluation werden die Maturand*innen ebenso befragt wie die Lehrpersonen, die Schulleitungen, die LPKD-Projektleitung und die Ressortgruppe, die dafür zuständig ist, dass die Maturprüfungen an allen Gymnasien die vorgegebenen Anforderungen erfüllen. Die qualitativen und quantitativen Daten werden mündlich oder schriftlich erhoben – Implementierung und operative Durchführung der digitalen Maturprüfungen werden dabei ebenso thematisiert wie die Haltung dahinter oder offene Fragen für die Zukunft. «Die Resultate der Evaluation sind sehr wichtig für die Weiterentwicklung der digitalen Maturitätsprüfungen», betont Anja Renold. Denn eines ist für sie klar: Die Entwicklung muss und wird weitergehen. «Künftig sollten digitale Prüfungen noch mehr Kompetenzen abbilden. Sie müssen mehr sein als analoge Prüfungen, die am Computer gelöst werden.» Es gelte einen Umgang mit den neuen Möglichkeiten zu finden, die KI-Tools wie ChatGPT mit sich bringen und auch um die Frage, welche Inhalte und Kompetenzen an den Maturitätsprüfungen in welcher Form noch geprüft werden sollen. «Wir stehen hier vor einem riesigen Prozess, der erst noch stattfinden muss. Wahrscheinlich können Schulen dabei auch von den Schüler*innen lernen, die verschiedene Kompetenzen bereits mitbringen.»
Evaluation bietet auch Mehrwert für die PH FHNW
Die Erfahrungen die Basel-Stadt jetzt macht, werden in Zukunft wohl auch anderswo nützlich sein. Neben dem Projektbericht, der aus der Evaluation entsteht, wird das Thema vom Team rund um Michael Ruloff auch wissenschaftlich aufgearbeitet und in Form von wissenschaftlichen Artikeln und Vorträgen verbreitet. Zugleich sind die Erfahrungen auch für die PH FHNW selbst wertvoll. «Auch an der Hochschule stellt sich die Frage, wie digitales Prüfen am besten funktioniert. Hier können wir sicher von den Schulen und ihren Erfahrungen lernen», so Michael Ruloff.
Text und Foto: Marc Fischer, PH FHNW
Der Beitrag stammt aus dem Magazin «das HEFT» der Pädagogischen Hochschule FHNW. www.dasheft.ch