Grössere Teilrevision der Geschäftsordnung des Grossen Rats: Das Ratsbüro möchte Abstimmungen in Abwesenheit einführen

Das Ratsbüro beantragt dem Grossen Rat verschiedene Modernisierungs- und Effizienzmassnahmen im Parlamentsbetrieb. So soll künftig die digitale Teilnahme an Abstimmungen möglich sein, und dies nicht nur in Krisensituationen wie einer Pandemie, sondern auch aus persönlichen Gründen. Diese beinhalten den Mutter- und Vaterschaftsurlaub, den Adoptionsurlaub, längere Krankheit und – in Form einer auf vier Sitzungstage beschränkten Kontingentlösung – beispielsweise auch berufsbedingte Abwesenheit. Auf diese Weise soll die Vereinbarkeit von parlamentarischer (Miliz-)Arbeit mit den weiteren Herausforderungen persönlicher und beruflicher Natur gestärkt werden. Als effizienzsteigernde Massnahme schlägt das Ratsbüro die Beschränkung der persönlichen Vorstösse vor.

Während der Corona-Pandemie mussten die gesetzlichen Grundlagen temporär angepasst werden, damit der Grosse Rat ausserhalb des Rathauses tagen durfte und Kommissionssitzungen digital durchgeführt werden konnten. Die Pandemie und diverse Anzüge aus der Mitte des Rats legten eine Überarbeitung der Geschäftsordnung und deren Ausführungsbestimmungen nahe. Das Ratsbüro beauftragte eine Subkommission bestehend aus David Jenny, Jo Vergeat und Balz Herter mit der Vorbereitung. Die Fraktionen und der Regierungsrat konnten in einer Vernehmlassung zu den geplanten Änderungen Stellung nehmen. Das Ratsbüro legt dem Grossen Rat bewusst auch Anträge in Materien wie den Abstimmungen in Abwesenheit und der Beschränkung persönlicher Vorstösse vor, die in der Vernehmlassung sehr unterschiedlich beurteilt wurden.

Abstimmungen in Abwesenheit

Ein Kernstück der vorliegenden Teilrevision bildet die Einführung der Abstimmung im Plenum in Abwesenheit. Im Bundesparlament waren während der Pandemie Abstimmungen von zu Hause aus temporär möglich. Der Kanton Basel-Landschaft hat zwischenzeitlich die Abstimmung in Abwesenheit bei Krisensituationen eingeführt. In anderen Kantonen liegen entsprechende Vorstösse vor.

Das Ratsbüro möchte grossmehrheitlich Abstimmungen in Abwesenheit sowohl für Krisensituationen wie auch aus persönlichen Gründen ermöglichen und geht damit weiter, als es der Anzug Barbara Heer betreffend virtuelle Teilnahme an Grossratssitzungen während des gesetzlichen Mutter- bzw. Vaterschaftsurlaubs fordert. Eine Abstimmung in Abwesenheit soll auch während des Adoptionsurlaubs und während längerer Krankheit möglich sein. Im Sinne einer Kontingentlösung wird dem Grossen Rat zudem beantragt, die Möglichkeit zu schaffen, auch aufgrund anderer Gegebenheiten wie berufliche Abwesenheit, Studium, Wehrpflicht oder Zivilschutz digital an Abstimmungen und offenen Wahlen teilzunehmen. Dies soll gemäss Ratsbüro pro Amtsperiode an maximal vier Sitzungstagen möglich sein.

Auch zukünftig soll im Grossen Rat die physische Anwesenheit die Regel bleiben. Sichergestellt wird dies dadurch, dass sich die digitale Teilnahme auf Abstimmungen und offene Wahlen beschränkt – Voten oder das Stellen von Anträgen wäre nicht möglich. Zudem würde bei einer digitalen Teilnahme kein Sitzungsgeld ausbezahlt.

Die während der Corona-Pandemie temporär eingeführte Möglichkeit, Kommissionssitzungen digital durchzuführen, soll fest ins Gesetz aufgenommen werden.

Moderate Beschränkung persönlicher Vorstösse

Das Ratsbüro beobachtet in dieser Legislatur eine deutliche Zunahme an persönlichen Vorstössen und stellt fest, dass der Parlamentsbetrieb dadurch stark verlangsamt wird. Es beantragt dem Grossen Rat deshalb grossmehrheitlich die Beschränkung persönlicher Vorstösse. Bisher existiert eine solche nur für Interpellationen (eine pro Sitzung). Künftig soll ein Ratsmitglied pro Sitzung maximal noch zwei Motionen, vier Anzüge und fünf schriftliche Anfragen einreichen können. Die Beschränkung von Vorstössen wird bewusst moderat angesetzt, weil die Parlamentsmitglieder nicht in ihrem Recht beschnitten werden sollen, vielfältige Themen zu lancieren.

Als weitere Massnahme zu einem effizienteren Ratsbetrieb sollen Ratsmitglieder auf schriftliche Interpellationsantworten der Regierung schriftlich (statt mündlich) Stellung beziehen können. Diese während Corona eingeführte Möglichkeit wird rege genutzt und soll nun fest in den gesetzlichen Grundlagen verankert werden.

Einen Anzug, der auf eine Eintretensdebatte im Plenum verzichten möchte, wenn die vorberatende Kommission einem Geschäft einstimmig zugestimmt hat, lehnt das Ratsbüro ab. Es erachtet es als wichtig, dass eine Eintretensdebatte die Beratungen in den vertraulichen Kommissionen widerspiegelt und diese soll sich nicht auf die Detailberatung verschieben. Zudem würde eine solche Regelung stark in die Rechte Fraktionsloser eingreifen.

Diverse Klärungen

Neben diesen grösseren Neuerungen wurden in den gesetzlichen Grundlagen des Parlamentsbetriebs auch Begrifflichkeiten sowie Abläufe klarer ausgestaltet. Neu soll der Begriff Session eingeführt werden. Eine Session besteht aus den Grossratstagen eines Monats. Die Amtsperiode des Grossen Rat soll neu am 1. Februar beginnen. So wird die Lücke bis zur konstituierenden Sitzung verkürzt; diese findet nun in der Regel am ersten Mittwoch – und nicht wie bisher am zweiten Mittwoch – des Monats statt. Präzisiert werden auch die Präsidialaufgaben, insbesondere bezüglich Wahrung der Ordnung.

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