Volksinitiative "Für eine bessere Schule" direkt vors Volk
MedienmitteilungRegierungsrat
Der Regierungsrat wendet sich gegen die tief greifende strukturelle und inhaltliche Umgestaltung der Basler Schulen welche die von der SVP Basel-Stadt lancierte Volksinitiative "Für eine bessere Schule – unseren Kindern zuliebe" verlangt. Er setzt nicht auf einen abrupten Kurswechsel sondern auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der heutigen förderorientierten Volksschule. Er empfiehlt dem Grossen Rat die Initiative weder an eine Kommission noch an den Regierungsrat zur Berichterstattung zu überweisen noch ihr einen Gegenvorschlag gegenüber zu stellen sondern sie direkt dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.
Der Regierungsrat wendet sich gegen den von der SVP-Initiative "Für eine bessere Schule" verlangten Kurswechsel. Er beantragt dem Grossen Rat, die Initiative weder dem Regierungsrat noch einer Grossratskommission zur Berichterstattung zu überweisen, sondern sofort dem Volk vorzulegen.
Der Regierungsrat hält an seiner zentralen Zielsetzung fest: Aufgabe des öffentlichen Bildungswesens ist die Förderung der Bildungschancen aller Kinder und Jugendlichen auf hohem Leistungsniveau im Rahmen eines Schulkonzeptes, welches ein Gleichgewicht von Fördern und Fordern anstrebt, und eines Schulklimas, welches von Ermutigung und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Er setzt deshalb nicht auf einen radikalen Kurswechsel, sondern auf die Weiterentwicklung des bestehenden Schulsystems. Diese hat er mit der Strukturänderung an der Weiterbildungsschule, welcher der Grosse Rat im letzten Juni zugestimmt hat und die im August 2004 realisiert wird, initiiert. Ausserdem hat er die Überprüfung der Schullaufbahn in Auftrag gegeben, mit der zentrale bildungspolitische Anliegen realisiert und konzeptionelle Schwierigkeiten auf der Sekundarstufe I gelöst werden sollen.
Mit Annahme der Initiative würde der wichtigste Nachteil des alten Systems – die Frühselektion in der 4. Primarklasse – wieder eingeführt. Kein Kanton in der Schweiz selektioniert so früh. Die Selektion der Zehnjährigen ist fachlich nicht sinnvoll und würde auf Kosten der ohnehin benachteiligten Kinder gehen, wie überhaupt die starke Auffächerung der Bildungswege die Integrationsfähigkeit der Schule schwächen und viele Kinder und Jugendliche um ihre Bildungsperspektiven bringen würde. Die Initiative verlangt, dass nicht mehr die Förderung und das Lernen im Zentrum stehen, sondern Leistungsmessung und Selektion. Die Schullaufbahnen, welche die von der Initiative verlangte Struktur hätten, wären nach wie vor von vielen Schulwechseln charakterisiert und neu vermehrt von Klassen- und Leistungsgruppenwechseln. Die Schülerinnen und Schüler würden nicht Kontinuität, Kohärenz und Leistungsanreize erleben, sondern Unruhe und permanenten Selektionsdruck. Die Umsetzung der Initiative hätte ausserdem wie in den 80er- und 90er-Jahren eine Polarisierung der Politik und Öffentlichkeit zur Folge und damit eher Stillstand als Entwicklung. Ihre Annahme würde keine Annäherung an die Schulstrukturen der andern Kantone bringen. In keinem andern Kanton gäbe es vergleichbare Strukturen, und die behutsame gegenseitige Annäherung der Volksschulen in den beiden Basel würde zunichte gemacht. Der Änderungsaufwand und die Kosten wären hoch, mindestens so hoch wie für die Schulreform: Da die OS verkürzt und die Gymnasien und die WBS verlängert würden, müssten Dutzende von Schulhäusern umverteilt werden und deren Raumstandards der neuen Nutzung angepasst werden. Es müssten neue Stundentafeln, Lehrpläne und Qualifizierungskonzepte erarbeitet und viele Lehrpersonen nachqualifiziert und weitergebildet werden. Während der Reformzeit wären die Ressourcen absorbiert von einem Umbau, der wissenschaftlich nicht begründet werden kann und die Politik und Öffentlichkeit polarisiert. Sie würden jenen Kindern und Jugendlichen, die während dieser Umbauzeit zur Schule gehen, entzogen und stünden für die laufenden Anpassungen, die aufgrund der veränderten Bildungsvoraussetzungen und Bedürfnisse nötig sind, nicht mehr zur Verfügung.
Die "Initiative für eine bessere Schule – unseren Kindern zuliebe" ist also weder als Anstoss für die Weiterentwicklung des Schulsystems noch als beschleunigender Katalysator oder gar als Wegweiser für die aktuelle und künftige Schulpolitik nötig.
Die Initiative verlangt, dass die Schülerinnen und Schüler ab der 3. Primarklasse wieder benotet werden. Die Orientierungsschule (OS) würde auf zwei Jahre verkürzt und in zwei Leistungszüge A und B aufgeteilt. Damit müsste die im Rahmen der Schulreform mit breitem Konsens abgeschaffte Frühselektion in der 4. Primarklasse wieder eingeführt werden. An der OS würden neu wieder Klassenwiederholungen verfügt. Die Weiterbildungsschule (WBS) würde gemäss den Forderungen der Initiative um ein Jahr auf neu drei Jahre verlängert und in drei Leistungszüge aufgeteilt. Das Gymnasium würde neu sechs statt fünf Jahre dauern. Die Zuteilung zu den drei Leistungszügen der WBS und zum Gymnasium würde aufgrund von Tests und der in der OS erzielten Noten erfolgen. Die Leistungszüge in der OS und WBS sollen – unter Wahrung der Durchlässigkeit – voneinander getrennt geführt werden. Die Kleinklassen müssten von den Regelklassen wieder ganz getrennt werden.
Der Grosse Rat wird am 11. Februar 2004 über die Vorlage des Regierungsrates diskutieren und über dessen Vorgehensvorschlag beschliessen.