Performancepreis Schweiz 2018
MedienmitteilungPräsidialdepartement
Am Samstag, 13. Oktober 2018 wurde in der Kaserne Basel der diesjährige Performancepreis verliehen. Ausgezeichnet wurden Judith Huber (Performance: «2x Fichte») sowie PRICE (Mathias Ringgenberg) mit der Performance «Where Do You Wanna Go Today». Auch der Publikumspreis ging an Judith Huber.
Zum Performancepreis Schweiz
Der 2011 begründete, national ausgeschriebene Wettbewerb Performancepreis Schweiz ist eine Initiative der Kantone Basel-Stadt und Aargau sowie der Stadt Genf. 2014 haben sich die Kantone Basel-Land und Luzern der Partnerschaft angeschlossen, 2016 der Kanton Zürich. Im jährlichen Rhythmus wechseln sich die Partner als Gastgeber der Veranstaltung ab und bieten so der Schweizer Performancekunst vor wechselnder Kulisse ein wachsendes Publikum.
Zur Ausgabe 2018
Aus den insgesamt 95 Dossier-Eingaben wählte die siebenköpfige Jury (mit insgesamt 5 Stimmen) sieben Künstlerinnen und Künstler aus. Diese präsentierten ihre Live-Performances dem Publikum am 13. Oktober 2018. Die Ausgewählten wurden aufgrund der gezeigten Performances beurteilt und ausgezeichnet. Als Kooperationspartner gewann der Kanton Basel-Stadt 2018 für die diesjährige Ausgabe das Museum Tinguely und die Kaserne Basel. Die ersten vier Performances fanden im und um das Museum Tinguely statt, gefolgt von drei weiteren Performances in der Reithalle und im Rossstall der Kaserne Basel. Alle Präsentationen hatten einen Zeitrahmen von rund einer halben Stunde.
Der Preis wurde schliesslich an zwei Künstler/-innen verliehen, um die Vielfalt der aktuellen Performanceszene zu würdigen.
Der/die Preisträger/-in des Performancepreises Schweiz 2018
- Judith Huber (Luzern), «2x Fichte»
- PRICE (Mathias Ringgenberg, Zürich), «Where Do You Wanna Go Today (Variations)»
Die beiden Kunstschaffenden wurden mit einem Preisgeld von je CHF 15’000 ausgezeichnet.
Der Publikumspreis (CHF 6'500) ging an:
- Judith Huber (Luzern), «2x Fichte»
Nominierte und Jury
Nominiert waren:
- Nagi Gianni, Genf
- Antoine Guay & Jony Valado, Genf, Fribourg
- Judith Huber, Luzern
- Sandra Knecht, Baselland
- Jeremy Nedd, Basel-Stadt
- PRICE (Mathias Ringgenberg), Zürich
- Anaïs Wenger, Genf
Die Jury der Ausgabe von 2018 bestand aus folgenden Personen:
- Yan Duyvendak (Künstler), Genf/Marseille, 2017 (Jurymitglied 2017–2019)
- Sophie Jung (Künstlerin), Basel/London (Jurymitglied 2017–2019)
- Dorothea Rust (Künstlerin), Zürich (Jurymitglied 2018)
- Laurence Wagner (Kuratorin für Bühnenkünste), Rom (Jurymitglied 2018)
- Roland Wetzel (Direktor Museum Tinguely), Séverine Fromaigeat (Kuratorin Museum Tinguely) und Sandro Lunin (Künstlerischer Leiter Kaserne Basel) (Jurymitglieder 2018, gemeinsam mit einer Stimme vertreten)
Die Koordination des Performancepreises Schweiz übernahm
- Madeleine Amsler (freie Kuratorin), Genf
Jurybericht und Informationen zu den Preisträger-/innen
Judith Huber, «2x Fichte»
Judith Huber (*1964) studierte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern Freie Kunst sowie Contemporary Arts Practice an der Hochschule der Künste Bern. Ins Zentrum ihrer künstlerischen Praxis setzt sie ihren eigenen Körper. Sie untersucht in ihrer Arbeit das Verhältnis zwischen Raum, Bewegung und Körperlichkeit. Ihr Schaffen dreht sich um die verschiedenen Formen physischer Präsenz, gepaart mit dem gezielten Einsatz von Materialien. Dabei erzeugt sie situative räumliche Verortungen und etabliert eine dialogische Beziehung zwischen Publikum und Umgebung.
Judith Hubers Performance «2x Fichte» beginnt mit der Künstlerin alleine in jenem Teil des Raumes, der sich vor dem Publikum erstreckt. Zunächst balanciert sie in grosser Konzentration eine überdimensional lange Fichtenlatte auf ihrer rechten Schulter, was sie anschliessend mit einer zweiten Latte auf der linken Schulter noch steigert. Was als formale Performance beginnt, nimmt eine überraschende Wende. Denn nachdem Judith Huber die Balken mit grosser Ruhe und Konzentration bereits einige Male fast tänzerisch über den sitzenden Zuschauern der ersten Reihen schwingen und schweben liess, bahnt sie sich langsam einen Weg durch das Publikum hindurch. Der Balanceakt der Künstlerin öffnet sich zu einem stillschweigenden Dialog mit dem Publikum. Das vermeintliche Spiel mit der Gefahr, das Konstrukt könne zu Fall gebracht und die Balken jemandem auf den Kopf fallen, wird immer mehr zu einer Vertrauensverhandlung zwischen Aussen und Innen, den Zuschauern und dem unsicher-sicheren Individuum. Wie Judith Huber mit Beharrlichkeit Raum einnimmt, ohne ihn direkt einzufordern auf nicht-konfrontative, doch selbstbewusste Art und Weise, ist höchst berührend und kann als Ausdruck einer feministischen Haltung gelesen werden. Bevor sie den institutionellen Raum verlässt, tritt sie in Dialog mit Tinguelys «Utopia», indem sie die Bewegungen seiner mechanischen Arbeit wie ein Echo aufnimmt und weiterträgt. Schliesslich bewegt sie sich langsam in den Aussenraum und entschwindet um den Brunnen herum hinaus in die urbane Landschaft, wodurch sich die hohe Spannung, die das Publikum 30 Minuten gebannt hielt, langsam auflöst. Die Jury beeindruckt, wie Judith Huber mit einer klassischen Haltung verschiedene gegenwärtige Themen, wie beispielsweise Ökologie oder Geschlechterverhältnisse, in ihrer Arbeit mitschwingen lässt, wie meisterhaft sie die Energie zu ihrem Publikum handhabt, wie viele Bildräume sie öffnet und wie kongruent die Arbeit als Ganzes ist.
PRICE (Mathias Ringgenberg) «Where Do You Wanna Go Today (Variations)»
Mathias Ringgenberg (*1986) absolvierte an der Hochschule der Künste Bern einen Master in Performing Arts and Theater, nachdem er sein Grundstudium an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam abgeschlossen hatte. Er bedient sich als Performancekünstler verschiedener Medien. Sein fiktiver Charakter PRICE widmet sich der Lebensrealität der Millenials, die sich zwischen Desillusionierung, Verunsicherung und Einsamkeit bewegen, trotz oder gerade wegen dem ständigen Zugang zum Internet und den Massenmedien. Seine Solo-Aufführungen basieren auf der physischen Präsenz des Künstlerkörpers und seiner Stimme, wobei er sich je nach Kontext neu erfindet.
In der Performance «Where Do You Wanna Go Today (Variations)» begibt sich PRICE in eine Rolle, die sich in der Bewegung durch den Raum und im Singen selbstkomponierter Lieder stets verändert und weiterentwickelt. Mal in direktem Blickkontakt mit dem Publikum und direkter Ansprache, mal melancholisch sinnierend, inkarniert er verschiedene Figuren, genauer gesagt, spielt er mit verschiedenen Stimmen, die auf sein alter ego PRICE zurückzuführen sind. Diese Vielstimmigkeit breitet sich auf alle Seiten der Bühne aus, indem er den einzelnen Personen wiederholt das Gefühl gibt, dass er genau mit ihnen spricht und doch alle gleichzeitig adressiert. Er nimmt damit den ganzen Raum humorvoll ein und fesselt das Publikum. PRICE spielt mit der Wirkung absurder Kostüme, die seinen Körper teilweise mehr entblössen als verhüllen. «It’s not about you, it’s about what surrounds you» ist ein Leitsatz, den er wie einen Refrain immer wieder singend oder sprechend ins Publikum wirft. «Throw your ego out of a window» schlägt er dem Publikum durch einen zuvor hochgehobenen und nun als Fenster in Erscheinung tretenden Rahmen vor. «You’re born and you die and in between, there is eternity» ist ein weiterer von vielen Sätzen, der mit banalen Wortfragmenten und existentiellen Fragen, zu einer polyphonen, gleichzeitig komischen wie auch tragischen Verkörperung verschmilzt. Die Art, wie er in fliessendem Übergang Kostüme in Bühnenbilder, in Requisiten, in Skulpturen, in singende Charaktere und zurück verwandelt, hat die Jury beeindruckt. Sie lobt die starke Präsenz des Künstlers auf der Bühne, seine reflektierte Art, die gegenwärtige Zeit und die Themen der heutigen Generation kritisch zu befragen, sowie seine Virtuosität, mit der er die verschiedenen Elemente seiner Performance zur Geltung und miteinander verknüpft.
Hinweise
Webseite: Performancepreis Schweiz
Photocredits:
Judith Huber, «2x Fichte», © Emmanuelle Bayart Photography / Performancepreis Schweiz 2018
PRICE (Mathias Ringgenberg), «Where Do You Wanna Go Today (Variations)», © Emmanuelle Bayart Photography / Performancepreis Schweiz 2018