KSBS-Bildungsreise nach Montpellier
NewsJedes Jahr lernt der KSBS-Vorstand auf seiner Bildungsreise eine fremde Stadt und ihre Schulen kennen. Diesen November ging die Reise ins okzitanische Montpellier. Dort wurden sechs Schulen von der Primarstufe bis zur Berufsfachschule besucht.

Vermittelt wurden die sechs Schulen von den lokalen Bildungsbehörden. Und so standen sechs Kleingruppen von Basler KSBS-Mitgliedern, allesamt Lehr-, Fach- und Leitungspersonen, bereit und warteten auf Einlass in die zu besuchenden Bildungsinstitutionen.
Unterschiede zum Schweizer Schulsystem
Eklatante Unterschiede zum schweizerischen Schulsystem zeigen sich schon beim zentralisierten Anstellungsverfahren, welches eine aktive Wahl des künftigen Schulstandortes für Junglehrpersonen faktisch ausschliesst. Erinnerungen kommen hoch an die äusserst erfolgreiche Filmkomödie «Bienvenue chez les Ch’tis», in der ein Postbeamter damit zurechtkommen muss, dass er ins französische Irgendwo versetzt wird. Wie finde ich mich als Lehrperson an einem völlig neuen Ort zurecht, wie unterrichte ich die Schülerinnen und Schüler einer Gegend, die mir noch so fremd ist?
Auch andere Unterschiede zur Schweiz fallen auf: Die Schulpflicht beginnt deutlich früher. Schon Kinder ab drei Jahren besuchen die École Maternelle, bevor sie dann in die Primarschule wechseln. Ein Labyrinth aus Ministerien und Departementen ist für verschiedene Aufgaben zuständig: So verantworten das Bildungs- und das Gesundheitsministerium die Inklusion, aber ein ganz anderes Departement kümmert sich beispielsweise um die Begabungsförderung.

Persönliche Eindrücke aus drei Schulen
In der École Sibelius/Pottier werden Primarschulkinder aus gut und weniger gut situierten Familien unterrichtet. Erst kürzlich wurde eine Klasse für Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen geschaffen: Sie heisst «unité autisme» und ist Teil eines grösseren, frankreichweiten Projekts. Finanziert wird es vom Gesundheitsministerium. Ein hoher Betreuungsschlüssel für Lehrkräfte mit spezieller Zusatzausbildung soll eine adäquate Betreuung gewährleisten.
Das Collège Gérard Philipe steht als inklusive Sekundarschule vor grossen Herausforderungen, denn das ausgebildete Personal fehlt an allen Ecken und Enden. Das liegt unter anderem auch an den tiefen Löhnen, was Lehrkräfte besonders in von hohen Lebensunterhaltskosten geprägten urbanen Gebieten vor grosse Probleme stellt. Ein schwieriger Mix aus Jugendlichen aus bildungsfernen Familien führt zudem am Collège immer wieder zu Konflikten.
Am Lycée Joffre werden 2'000 Schülerinnen und Schüler aus gehobener Schicht unterrichtet. Austauschprogramme mit den USA, den Kanarischen Inseln, Deutschland und China tragen den hohen Ansprüchen der Eltern Rechnung. Dies führt aber auch zu hohem Leistungsdruck, sodass viele Schülerinnen und Schüler unter psychischen Problemen leiden.
Arles und Les Saintes-Maries-de-la-Mer
Die KSBS-Reise verbindet schulischen Input auch mit kulturellen Erfahrungen in der jeweiligen Stadt und ihrem Umland. Bei einer Stadtführung erhalten wir historische Einblicke in die Geschichte Montpelliers rund um Religionskriege, Nostradamus’ Erkenntnisse und Verbindungen mit Cordoba im 13. Jahrhundert. Montpellier gilt schon seit Jahrhunderten als Stadt der Migration, was sich heute beispielsweise in einem fehlenden spezifischen Lokalakzent und einer grossen Toleranz widerspiegelt.
Ein Tagesausflug führt in die benachbarte Region Provence-Alpes-Côte d’Azur nach Arles, in die Camargue und nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer und rundet so die Bildungsreise auch kunsthistorisch ab. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Region Okzitanien, ihr Umland und ihr pulsierendes Lebensgefühl sind jederzeit eine Reise wert!
Text: Cornelia Bolliger, Sekretariat KSBS, Fotos: Lukas Gysin und Cornelia Bolliger
