Pausenhöfe nutzen
NewsDas Soccerfeld auf der Terrasse oder die Wasserrutsche vom Schulhausdach bleiben zwar unerfüllte Wünsche von Schülerinnen und Schülern. Doch bieten die Aussenräume von Schulbauten zahlreiche niederschwellig umsetzbare Chancen für Unterricht und Pause, wie Besuche an der Sekundarschule Holbein und der Primarstufe Neubad zeigen.

Vor wenigen Jahren noch war die ausladende Terrasse im ersten Stock der Sekundarschule Holbein ein kaum genutzter Ort. Beton prägte das Bild. Die fest installierten Betonbänke verstärkten die Umgebungstemperatur so, dass sie weder im Sommer noch im Winter zum Sitzen taugten. Heute tragen sie einen eleganten Aufsatz aus Holzlatten. Ein Teil davon wurde von Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Projektarbeit im Werkunterricht hergestellt. Auch die robusten Holzliegestühle, die sich in einer Ecke des Pausenhofs unter einer Blache stapeln, sind nach einer Anleitung aus dem Internet im Unterricht gebaut worden. Weitere Möglichkeiten zum Ausruhen oder Arbeiten bieten grosse offene Kuben aus Metall mit integrierten Sitzbänken, einer Hollywoodschaukel oder einem Tisch. Sie sind das Produkt des 2021 initiierten Partizipationsprojekts Pausen(t)räume in Zusammenarbeit mit dem Verein drumrum Raumschule. Die Dekoration der äusseren Hülle der Kuben soll in jedem Schuljahr wieder neu kreiert werden. Im vergangenen Sommer wurde mit Wolle, Teilen von Petflaschen, alten Schallplatten und Farbe gearbeitet.

Planung in kleinen Schritten
«Pausenhofverschönerung» nennt die Heilpädagogin Mirella Steffani, was sie seit rund 15 Jahren in einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe vorantreibt: «Es braucht Geduld, man muss in kleinen Schritten planen, dranbleiben, dann wächst es allmählich zu einem Ganzen», fasst sie zusammen. Sie hat auch Rückschläge erlebt: Budgetanträge, denen nicht stattgegeben wurde oder Vandalismus. Und doch überwiegt die Begeisterung. Auf dem Fensterbrett in Steffanis Unterrichtszimmer wachsen Setzlinge in Saatschalen heran: Sonnenblumen und Schmuckkörbchen (Cosmea). Es sind die letzten in diesem Jahr. Der Rest der Pflanzen ist bereits verteilt auf einige Hochbeete und ein mehrere Quadratmeter grosses Beet, das in den Terrassenboden eingelassen ist. Da wachsen kleine Erdbeeren, Königskerzen, Kapuzinerkresse oder die kräftige Färberkamille und mehrere Gräser. Sie können im Textilen Gestalten für die Techniken Ecoprint, Hapa Zome und Cyanotypie verwendet werden, um Stoffe zu bedrucken.
Mirella Steffani baut die Pflege des Beets in ihren Unterricht als Heilpädagogin ein. Zweimal im Jahr gibt es eine Jätaktion, zu der sich alle interessierten Schülerinnen und Schüler anmelden können. In trockenen Zeiten helfen auf Anfrage auch die Jugendlichen aus der Tagesstruktur beim Giessen.
Auch wenn nicht alle Ideen umgesetzt werden können – ein Soccerfeld auf der Terrasse blieb aus Rücksicht auf die Nachbarschaft Wunschtraum – so ist auf der Betonterrasse und dem begrenzten Aussenraum hinter dem Schulgebäude Raum mit viel Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler entstanden. Es sei «Work in Progress» ordnet Mirella Steffani ein: «Fertig ist es nie».
Eine Arbeitsgruppe für ausserschulische Lernorte
Auch an der Primarstufe Neubad wird gross gedacht: Ginge es nach den Schülerinnen und Schülern, würde vom Dach des dreistöckigen Kaltbrunnenschulhauses eine Wasserrutsche direkt in den Pausenhof führen. So berichten Maria Bösch, Lara Remensperger und Monika Senn lachend. Sie treffen sich mit fünf weiteren Lehrpersonen alle sechs Wochen in einer Arbeitsgruppe, die sich im Rahmen eines grösseren Schulentwicklungsprojekts um ausserschulische Lernorte kümmert. Der Fokus liegt auf der Pausenumgebung und dem Quartier. Denn, wie Lara Remensperger zu bedenken gibt: «Als Fachlehrpersonen ist es für uns schwierig, einen ganzen Vormittag weg zu gehen. Wir haben meist nur eine Lektion zur Verfügung und brauchen die Möglichkeit für einen schnellen Szenenwechsel.» Die Französischlehrerin nutzt den Aussenraum für Tänze und Lieder mit französischen Texten. Sie freut sich auf eine kleine Open-Air-Bühne, die auf einer der Pausenflächen geplant ist: «Da kann dann neben dem sprachlichen auch soziales Lernen stattfinden. Ein Teil der Gruppe zeigt auf der Bühne ein kurzes Rollenspiel oder einen Dialog, der andere Teil schaut zu und gibt Feedback. Da geht es darum, wie man Kritik formuliert oder als Team interagiert.»

Tanzen im Park
Auch ihre Kollegin Maria Bösch tanzt mit ihren Schülerinnen und Schülern im Fach Musik und Bewegung oft im nahe gelegenen Park: «Man erlebt den Unterricht unter freiem Himmel anders», resümiert sie: «Es passiert so viel. Wir haben ab und an Publikum, vielleicht macht mal jemand spontan mit, fremde Menschen schauen zu. Es gibt viel mehr Reize, auch Ablenkungen. Damit müssen die Kinder umzugehen lernen.» Es brauche eine klare Struktur, klare Regeln. Das bestätigt auch Lara Remensperger: «Ich habe Klassen, bei denen mich der Unterricht im Freien sehr herausfordert, da ich eine übermässige Präsenz zeigen muss wegen der zusätzlichen Reize. Da muss ganz klar definiert sein, was der Auftrag ist.» Die Klassenlehrperson Monika Senn ergänzt: «Wenn wir auf dem Pausenhof unterrichten, müssen wir die Kinder immer wieder zurückholen. Sitzt ein Eichhörnchen auf dem Baum, ignorieren wir es nicht. Wir gehen hin, machen eine Schlaufe und kommen wieder zurück. Als Lehrperson braucht es im Freien mehr Flexibilität als im Klassenzimmer.» Doch der Aufwand lohne sich, denn die Sinnhaftigkeit des Unterrichts sei viel grösser und das vernetze Denken werde gefördert: «Ich messe, was ich sehe. Wie lang ist der Pausenhof und wie breit? Wie viele Quadratmeter sind das? Ich kann einen Käfer beobachten oder ausrechnen, wie viel Zeit eine Schnecke benötigt, um weiter zu kommen. Ich kann ein Mandala mit Blüten oder Blättern legen, Abriebe von Rinden oder Blättern machen oder die Bäume auf dem Pausenhof mit einem Quiz kennenlernen. Die Kinder sollen fühlen, anfassen und mit allen Sinnen erleben können», erklärt die erfahrene Waldpädagogin.
Das Knowhow und die Erfahrungen hat die Arbeitsgruppe als Ideensammlung in Form eines Miroboards zusammengetragen. Geordnet wurde nach Lernzielen, geeigneten Lernorten auf dem Pausenhof und möglichen Aufgabenstellungen. Ausserdem haben die Lehrpersonen in der Teambibliothek eine Ecke mit einer Materialsammlung eingerichtet. «Es geht darum zu schauen, was da ist und was man ohne grossen Aufwand damit machen kann» fasst Monika Senn abschliessend zusammen. Vor diesem Hintergrund wird die Wasserrutsche wohl noch etwas warten müssen.
Text: Charlotte Staehelin, Fotos: Charlotte Staehelin