Von Desiree zu Frau Dettwiler
NewsDesiree Dettwiler ist Klassenlehrerin in der Primarschule Erlenmatt. Sie wusste schon im Kindergarten, dass sie Lehrerin wird. Im Schulblatt erzählt sie, warum es ihr hilft, auch mal an der pädagogischen Linse vorbeizuschauen. Ihren Schülerinnen und Schülern möchte sie Mut machen, an sich zu glauben, auch wenn das Schulleben gerade schwierig erscheint.

«Ich wusste es schon im Kindergarten: Ich bin eine Lehrerin. Es hat sich wie eine Berufung angefühlt. Im Kindergarten habe ich im ‹Ditti-Egge› gerne Schule gespielt. In der Primarschule bekam ich die Möglichkeit, jüngeren Kindern mit Nachhilfestunden zu helfen. Das hat mir sehr gefallen, knifflige Aufgaben gemeinsam zu lösen und zu merken, dass man das schaffen kann, wenn man es will. Es braucht Mut, zu formulieren: ‹Das verstehe ich einfach nicht, aber ich will es versuchen!› Der Schul-Dschungel kann Kinder überfordern und zur Belastung werden. Für mich hat sich die Schule am Anfang sorgenlos und leicht angefühlt. Ich habe es geliebt, dieses Gefühl weiterzugeben.
Meine Kindergartenzeit war magisch. Frau Wohlrab, meine Kindergärtnerin, war lieb und geduldig. Sie hat uns viel Spielzeit gelassen, das Schönste! Auch an die Primarschulzeit erinnere ich mich sehr gut. Frau Stettler, die frisch vom Semi mit unserer Klasse gestartet ist, hat das mit Herzblut gemacht. Leider war ihre Anstellung befristet und es kam jemand Neues. Ein Lehrer. Das war aufregend für uns. Herr Fünfschilling hat uns ab der 2. Klasse übernommen. Ich würde behaupten, dass er mich in meiner Schulkarriere als Vorbildfigur entscheidend geprägt hat. Als einer der wenigen Lehrer, die an mich geglaubt und mich ermutigt haben, meinen Weg zu gehen. Dieses Gefühl hat mich getragen. Eigentlich bis heute. Vor allem durch den Rest meiner Schullaufbahn, der sehr beschwerlich war.
Der Sozialindex in Birsfelden war und ist sehr hoch, das ist nichts Neues. Bei uns in der Oberstufe waren Diskriminierung und Rassismus eine grosse Herausforderung. Nach dem Übertritt in die 6. Klasse habe ich bemerkt, dass das Augenmerk schnell auf die Herkunft der Mitschüler fällt. Plötzlich schien es keine Rolle mehr zu spielen, wie ich mich verhalte oder welche Fähigkeiten ich mitbringe. Vielmehr wurde ich aufgrund beliebiger Äusserlichkeiten bewertet. Wenn ich schlechter abschnitt, dann hiess es: ‹Das ist ja klar, weil du Ausländerin bist.› Viele von uns Jugendlichen hätten von den Lehrern mehr Unterstützung gebraucht, aber wir wurden mit unseren Schwierigkeiten allein gelassen. Das hat mich tief geprägt für die eigene Rolle als Lehrperson. Ich hätte jemanden gebraucht wie Herrn Fünfschilling, der sagt: ‹Ich weiss, es ist schwierig. Das sind Themen, die kommen und dich begleiten werden - vielleicht für immer. Aber du packst das. Wir finden einen Weg.› So war er auch in der Sekundarstufe das kleine Lichtlein, das mich durch den Tunnel geführt hat. Ich behielt mein Ziel vor Augen. Ohne mein intuitives ‹Ja› zum Lehrberuf, das ich schon als Kind verspürte, hätte ich es nicht geschafft.
Das Wichtigste ist, dass ich als Lehrerin die jungen Menschen versuche ganzheitlich wahrzunehmen, frei von jeglicher Bewertung, aus dem Herzen heraus. Man muss fähig sein, die Momente zu erkennen, wann es besser ist, an der pädagogischen Linse vorbeizuschauen. Was brauchen die Kinder wirklich, um sich zu entfalten? Dabei geht es nicht nur um fachliche Leistung, sondern vielmehr auch um Selbstkompetenzen und verdecktes Potenzial. Ich möchte die Kinder ganzheitlich begleiten, unterstützen und sie für ihre eigenen Fähigkeiten begeistern. Besonders wichtig ist mir das Vorwissen, das die Schülerinnen und Schüler mitbringen. Da bin ich auch mal bereit, eine Einheit im Lehrmittel zu streichen. Das gibt Platz für Individualität.
Im Mai haben wir am ESC Songwriting-Wettbewerb mitgemacht – was für eine tolle Erinnerung! Wir kamen mit dem Song ‹United› unter die drei Gewinnerklassen. Wir haben das geholt! Wir Lehrpersonen wussten, da sind die Kinder stark: im Schreiben, beim Gesang und in der Performance. In diesem Projekt konnten sie aufblühen. Da das Songwriting und Dichten gerade auch thematisch in die Unterrichtsplanung gepasst hatte, ging also alles in einem Abwasch. Ich habe das Lehrmittel in die Ecke gelegt und gesagt: ‹Wir fokussieren uns jetzt auf den ESC und schreiben diesen Song. So erreichen wir unsere Kompetenzziele auch.› Und genau das ist es, was ich liebe. Dafür brenne ich.»
Aufgezeichnet von Nicolas Wolf und Maren Stotz, Foto: Nicolas Wolf