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Von Kathrin zu Frau Urscheler

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Kathrin Urscheler unterrichtet Deutsch und Geschichte an der FMS. Im Schulblatt erzählt sie von ihrer eigenen Schulzeit und wie sie ihr Saxofonlehrer besonders prägte. Ihren jugendlichen Schülerinnen und Schülern begegnet sie mit grossem Engagement, einer menschenfreundlichen Perspektive und Interesse für deren Weltbild.

FMS-Lehrerin Kathrin Urscheler steht an einem Schreibtisch mit Computer in einem Klassenzimmer..
Kathrin Urscheler ist seit 17 Jahren Lehrerin und interessiert sich für die Weltsicht der Jugendlichen.

«Ich habe mal von einem Fachdidaktik-Lehrer gehört: ‹Als Lehrperson muss man Menschen mögen.› Und das stimmt. Ich habe gerne Menschen. Natürlich kann ich mich nicht für alle 80 Schülerinnen und Schüler gleich interessieren. Aber ich kann sie als junge Menschen wahrnehmen, die am Morgen schlechte Laune haben oder fröhlich sind. Und ich kann ihnen vermitteln, dass sie grundsätzlich okay sind, so wie sie sind. Erst dann starten wir mit dem Lehrplan. 

Unsere Schülerinnen und Schüler sind Teenager und stecken oft in Krisen. Ich mache mir da keine Illusionen. Mein Deutschunterricht interessiert sie zum Teil einfach nicht. Aber es gibt immer wieder Diskussionen, in denen ich ihnen eine Haltung mitgeben kann: zum Beispiel Toleranz, und dass man respektvoll miteinander umgeht. Ich habe schon vor 15 Jahren die negative Weltsicht vieler Schülerinnen und Schüler gespürt. Angesichts der aktuellen Weltlage hat sich ihr Standpunkt, dass man die Menschheit in den Müll werfen kann und der Planet eh am Arsch ist, nicht verändert. Sie sind oft sehr pessimistisch. In diesem Rahmen haben wir Lehrpersonen eine Sorgfaltspflicht. Ich vermittle ihnen Zuversicht, indem ich mich ihren Themen widme und sie ernst nehme. Wir können die Welt nicht retten, aber wir sind jetzt alle hier und können unser eigenes Handeln und den Umgang miteinander selbst steuern. 

Ich interessiere mich sehr für die Weltsicht der Jugendlichen. Nicht, dass ich sie jetzt besonders oft frage, wie sie die Welt sehen. Aber die Tatsache, dass ich sie in meinem Alltag jederzeit fragen kann, ist schön. Mir gefällt an meinem Beruf auch, dass ich gut zu mir schauen und fit sein muss. Dazu gehören ausreichend Schlaf, feines Essen und auch eine mentale Stärke. Das ist kein Selbstzweck. Für den Lehrberuf braucht es viel Energie und ich bin verantwortlich dafür, dass ausreichend eigene Ressourcen vorhanden sind. Sonst funktioniert das nicht. Genialerweise bietet der Lehrberuf viele Freiheiten. Es ist nicht vorgegeben, wann und wo ich mich auf den Unterricht vorbereite. Es gibt zwar einen Rahmen, innerhalb davon ist es mir aber selbst überlassen, ob ich jetzt ‹Leere Herzen› von Juli Zeh oder ‹Nora und das Puppenhaus› von Henrik Ibsen lese. Ich kann mir vieles selber einteilen, das ist ein riesiger Luxus. Dazu habe ich einen guten Lohn und viele Ferien. 

An meiner eigenen Schulzeit habe ich vermisst, dass man mich als Menschen sieht. Kindergarten und Primarschule habe ich in Eggersriet besucht, das ist in der Nähe des Bodensees. Ab dem siebten Schuljahr bin ich dann nach St. Gallen in die katholische Kantonssekundarschule ‹Notker›. Das waren die schlimmsten Jahre meines Lebens. Die Lehrer hatten zum Teil sehr wenig Interesse an uns Schülerinnen und Schülern. Es war auch keine peppige Schule, eher konservativ. Ich fand es oft unglaublich langweilig. Ich wäre an vielen Themen interessiert gewesen, die es in dieser Schulwelt jedoch so nicht gab. Nach zwei Jahren wechselte ich an die Kantonsschule – mit B-Matur, also Latein. Das gefiel mir schon besser. Das Coolste dort war der Saxofonunterricht, nach dem ich jeweils immer zu spät in die Französischlektion kam, weil ich mich die ganze Pause mit dem Saxofonlehrer unterhalten hatte. Er rettete mich ein bisschen mit seiner Mentalität. Er interessierte sich für mich als Menschen und war eine erwachsene Ansprechperson, die mich ernst nahm. In der Kanti empfand ich trotzdem oft eine Enge. Ich wollte mehr wissen, aber es hatte keinen Platz für die Wissbegierigen. Wollte ich mehr wissen, war die Lektion schon vorbei und die Lehrpersonen waren an einem Austausch nicht interessiert. Vieles war vorgegeben und das fand ich anstrengend. 

Ich war diejenige in der Klasse, die am meisten geschwänzt hat. Damals hatten wir auch am Samstag Schule. In der Doppellektion Deutsch schauten wir Fernsehen, während der Lehrer schlief. Ich dachte mir, das muss nicht sein. Ich hatte ja sowieso eine 5,5. Also bin ich einfach nicht hin. Den Lehrer hat’s nicht gestört oder es ist ihm gar nicht aufgefallen. Ich schwänzte sehr gezielt und bin deshalb wohl mental gesund geblieben.

Wenn ich Kolleginnen und Kollegen sehe, die pensioniert werden und bis zum letzten Tag gerne unterrichtet haben, dann denke ich mir: Das möchte ich auch. Ich wünsche mir, dass ich diesen Beruf noch lange mit Heiterkeit und Neugier machen kann und auch die notwendige Energie dafür habe. Dass ich die Freude am Beruf bis zum Schluss behalte. Das ist mein Ziel.»

Aufgezeichnet von Claudia Ribeiro Xavier und Maren Stotz, Foto: Claudia Ribeiro Xavier